Neben anderen prominenten Zeitgenossen wie Zuckmayer, Mehring, Riefenstahl oder Rühmann taucht in «Lichtspiel» auch Fred Zinnemann auf, der ab den 1940er Jahren als Regisseur große Erfolge in Hollywood feierte: «Wir sind der Hölle entkommen. Eigentlich sollten wir uns den ganzen Tag freuen. Aber stattdessen tun wir uns leid, weil wir Western drehen müssen, obwohl wir allergisch gegen Pferde sind.» Ist das Zynismus oder bitter notweniger Pragmatismus angesichts der Brutalität der Verhältnisse?
Ich finde das gar nicht so zynisch. Zinnemann hat ja völlig recht. Und er hat ja dann tatsächlich mit «High Noon» den vielleicht besten Western aller Zeiten gedreht. Als ich diese Szene schrieb, dachte ich: Pabst sollte besser auf seinen Freund hören. Aber natürlich hätte es dann auch keinen Roman gegeben. Und ich habe übrigens auch keine Ahnung, ob der historische Fred Zinnemann allergisch auf Pferde war.
In Dominik Grafs Film «Jeder schreibt für sich allein» geht es um die Überlebensstrategien von Schriftstellern, die während der Nazizeit in Deutschland geblieben sind, Benn, Kästner, Fallada, Seidel, Vesper und andere. Graf warnt vor dem «selbstgerechten Furor der Nachgeborenen»: weil es fatal sei, «Kunstwerke an den Lebens-Fehlern ihrer Schöpferinnen und Schöpfer zu messen». Wie ist Ihre Haltung dazu?
Ich sehe es ein wenig anders. Es ist nicht unbedingt selbstgerechter Furor, über die Entscheidungen von Menschen nachzudenken und sie zu bewerten. Es ist auch nicht selbstgerecht, über kleinliches und opportunistisches Verhalten empört zu sein. Wenn wir uns immer des Urteils enthalten würden, könnten wir ja nie aus der Geschichte lernen. Und wenn wir das eine oder andere Mal so abgestoßen vom Verhalten zum Beispiel eines Schriftstellers sind, dass wir dann gar keine Lust mehr haben, seine Bücher zu lesen, dann ist das nicht zwingend selbstgerechter Furor, sondern zunächst mal eine ganz normale menschliche Reaktion.
Ihr Roman ist dem im Mai 2023 in Miami vestorbenen Thomas Buergenthal gewidmet. Als Kind überlebte er Auschwitz, später war er Richter am Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte und am Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Sie haben Buergenthal persönlich gekannt. Was hat Sie an ihm fasziniert?
Tom war der einzige Holocaust-Überlebende, den ich je kennengelernt habe, der seine Erlebnisse tatsächlich völlig bewältigt zu haben schien. Er konnte mit Klarheit und Gleichmut von Auschwitz erzählen, ohne blinde Flecken, ohne etwas wegschieben oder verdrängen zu müssen. Das hatte natürlich mit seiner Arbeit an Gerichtshöfen zu tun, die sich mit Kriegsverbrechen, Genozid und Ähnlichem beschäftigten – er hatte sein Leben der Bemühung gewidmet, dass sich so etwas, wie er es erlebt hatte, nie wiederholen sollte. Und dadurch konnte er es bewältigen. Ich habe ihm das Buch auch deshalb gewidmet, weil er während der Lektüre des Manuskriptes verstarb. Ich habe also nie erfahren, was er, dessen Meinung mir natürlich am allerwichtigsten gewesen wäre, von «Lichtspiel» gehalten hat.