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Rowohlt History: Erika Mann

Erika Mann: Die Aktivistin
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Sie stand oft im Schatten der berühmten Männer ihrer Familie – als älteste Tochter des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann und als Schwester des Schriftstellers Klaus Mann. Doch Erika Mann war so viel mehr als das: Sie war eine furchtlose Kabarettistin, eine waghalsige Rennfahrerin, eine scharfsinnige Autorin und eine unermüdliche Kämpferin gegen den Nationalsozialismus. Ihr Leben war eine Tour de Force durch das 20. Jahrhundert – von den hedonistischen Partys im Berlin der Zwanzigerjahre über die Politisierung während der NS-Zeit bis hin zur aufopferungsvollen Arbeit als Hüterin des literarischen Familienerbes. Entdecken Sie eine Frau, die sich ihren Platz in der Geschichte hart erkämpfte.

Von wilden Zwanzigern und schnellen Autos

Aufgewachsen in einem privilegierten, aber intellektuell fordernden Umfeld, zog es Erika Mann früh auf die Bühne. Ihr erstes Engagement am Deutschen Theater in Berlin hatte sie noch während ihrer Schulzeit. 1924 begann sie dort ihr Schauspielstudium und stürzte sich in das exzessive Leben der Goldenen Zwanziger – eine Welt voller Jazz, künstlerischer Freiheit und Drogen, von denen sie zeitlebens nicht loskam. Ihre Ehe mit dem berühmten Schauspieler Gustaf Gründgens war weniger eine Liebesheirat als ein Arrangement für Ansehen und Profit; sie wurde nach nur drei Jahren geschieden. Getrieben von einer unbändigen Abenteuerlust reiste sie mit ihrem Bruder Klaus als «The Literary Mann Twins» ab 1927 um die Welt. Durch die Berühmtheit ihres Vaters lernten sie viele Prominente des US-amerikanischen Kulturbetriebs kennen. Ihr Traum, dort als künftiger Filmstar entdeckt zu werden, erfüllte sich jedoch nicht. Nach dieser Reise hatten die Mann-Geschwister hohe Schulden. Diese beglich ihr Vater, nachdem er 1929 den Nobelpreis für Literatur erhalten hatte.

Lange weigerte sie sich, selbst zur Feder zu greifen, mit der Begründung: «Es gibt schon genug Schriftsteller in der Familie.» 1928 begann sie mit journalistischen Texten, die ersten literarischen Texte veröffentlichte sie gemeinsam mit Klaus: die Reiseberichte «Rundherum» und «Das Buch von der Riviera» zeugten von der unbeschwerten Zeit. In den Folgejahren verfasste sie zahlreiche literarische Beiträge, Theaterstücke und stand immer wieder selbst auf der Bühne. 1931 wagte die begeisterte Autofahrerin Erika Mann noch ein weiteres großes Abenteuer: sie gewann eine 10.000 Kilometer lange Rallye quer durch Europa zusammen mit ihrem Jugendfreund Ricki Hallgarten. 1932 erschien ihr erstes Kinderbuch «Stoffel fliegt übers Meer».

«Die Pfeffermühle»: Mit dem Kabarett gegen Hitler

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 beendete jäh ihr extravagantes Leben und politisierte ihr Denken radikal. Als Antwort auf die aufziehende Barbarei gründete sie im selben Jahr gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin Therese Giehse und ihrem Bruder Klaus das politische Kabarett «Die Pfeffermühle». Mit spitzem Witz und beißender Satire wurde das Ensemble zur schärfsten künstlerischen Stimme gegen Adolf Hitler. Nach dem Reichstagsbrand mussten die verhassten Geschwister Mann mit ihrem Programm in die Schweiz fliehen. Von dort tourten sie mit überwältigendem Erfolg durch Europa. Die Nazis sahen in Erika Mann die «geistige Urheberin» des deutschfeindlichen Kabaretts und entzogen ihr 1935 die deutsche Staatsbürgerschaft. Ihre Reaktion war ebenso pragmatisch wie genial: Wenige Tage später heiratete sie den ihr kaum bekannten britischen Dichter W. H. Auden und sicherte sich so einen britischen Pass.

Kämpferin, Korrespondentin und Bewahrerin des Erbes

1937 emigrierte Erika Mann in die USA, organisierte den Umzug ihrer Eltern und wurde zur unverzichtbaren Stütze für ihren Vater. Doch sie war weit mehr als nur die Helferin im Hintergrund: Als gefragte Rednerin reiste sie durch die gesamten Staaten, um über die Verbrechen in Deutschland aufzuklären, und verfasste erfolgreiche antifaschistische Bücher. Während des Zweiten Weltkriegs ging sie als Kriegskorrespondentin für die Alliierten an die Front. Sie berichtete von der Landung in der Normandie, sprach über die BBC nach Deutschland und war bei den Nürnberger Prozessen eine der schonungslosesten Beobachterinnen.

Gleichzeitig war sie die «Sekretärin, Biographin, Nachlasshüterin, Tochter-Adjutantin», wie Thomas Mann in sein Tagebuch schrieb. Der tragische Selbstmord ihres geliebten Bruders Klaus Mann im Jahr 1949 traf sie tief und verstärkte ihre Rolle als Bewahrerin des Familienerbes. Nach der Rückkehr in die Schweiz 1952 widmete sie sich ganz der Aufarbeitung der Werke ihres Vaters und ihres Bruders. Ihr eigenes schriftstellerisches Werk, darunter der Traum von einem Buch über die «Pfeffermühle», trat dahinter zurück. «Aber lässt man mich denn», schrieb sie am 13. September 1963 einem Freund. Erika Mann starb 1969 an einem Hirntumor.

Timeline

  • 1905 geboren in München
  • 1923 erstes Engagement als Schauspielerin am Deutschen Theater in Berlin
  • 1926 Heirat mit dem Schauspielkollegen Gustaf Gründgens
  • 1927 Weltreise mit ihrem Bruder Klaus Mann
  • 1928 Beginn der schriftstellerischen und journalistischen Tätigkeit
  • 1929 Scheidung der Ehe mit Gründgens
  • 1932 Veröffentlichung des ersten Kinderbuchs «Stoffel fliegt übers Meer»
  • 1933 Gründung des politischen Kabaretts «Die Pfeffermühle» mit Klaus Mann und Therese Giehse
  • 1935 Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft; Heirat mit W. H. Auden zum Erhalt des britischen Passes
  • 1937 Emigration in die USA
  • 1938 Veröffentlichung ihres erfolgreichen Aufklärungsbuchs «Zehn Millionen Kinder»
  • ab 1940 Tätigkeit als Kriegsberichterstatterin für alliierte Medien
  • 1945 Berichterstattung von den Nürnberger Prozessen
  • 1952 Umzug in die Schweiz
  • 1969 verstarb sie an einem Hirntumor

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