Rowohlt History: Hans Fallada
Sein Roman «Kleiner Mann – was nun?» machte ihn über Nacht zum gefeierten Star und zur Stimme einer ganzen Generation. Doch das Leben von Hans Fallada (bürgerlich Rudolf Ditzen) war alles andere als eine Heldengeschichte. Es war ein lebenslanger, brutaler Kampf gegen innere Dämonen: gegen Depressionen, Alkohol- und Morphiumsucht, die ihn immer wieder in Psychiatrien, Entzugskliniken und Gefängnisse brachten. Es ist die Geschichte eines Mannes, der aus den tiefsten Abgründen der menschlichen Existenz einige der eindringlichsten Romane des 20. Jahrhunderts schuf – gestützt von einer außergewöhnlichen Freundschaft zu seinem Verleger Ernst Rowohlt.
Ein Leben am Limit: Duelle, Drogen und Haft
Die Weichen für ein tragisches Leben wurden früh gestellt. Schon als Jugendlicher galt Hans Fallada als Außenseiter mit suizidalen Tendenzen. Ein als Duell getarnter gemeinsamer Selbstmordversuch mit einem Freund endete 1911 tödlich für den Freund; Fallada überlebte schwerverletzt und wurde wegen Totschlags angeklagt. Nur aufgrund seiner attestierten Schuldunfähigkeit entging er einer Verurteilung und landete stattdessen in der Psychiatrie – der ersten von vielen Stationen. Sein Leben glich einer Abwärtsspirale: Um seine Sucht nach Alkohol und Morphin zu finanzieren, veruntreute er Gelder und wurde mehrfach wegen Betrugs und Unterschlagung zu Haftstrafen verurteilt. Sein erster Roman «Der junge Goedeschal», 1920 bei Rowohlt erschienen, war ein Flop und hinterließ beim Verlag nur Schulden.
Vom Archivkeller zum Weltbestseller: Die Freundschaft mit Rowohlt
Nach einer Haftstrafe und am Rande des Ruins war es Ernst Rowohlt, der ihm eine zweite Chance gab. Fallada hasste seinen Job als Anzeigenwerber und bat seinen Verleger flehentlich um eine Anstellung. Rowohlt holte ihn nach Berlin, wo der zukünftige Bestsellerautor eine bescheidene Bürotätigkeit verrichtete: Er verschickte Rezensionsexemplare und archivierte Kritiken. Nachdem er mit «Bauern, Bonzen und Bomben» bereits einen scharfsinnigen Roman über die politischen Verwerfungen in der Provinz vorgelegt hatte, entstand genau in dieser Zeit am Rande der Existenz sein Meisterwerk: «Kleiner Mann – was nun?». Das Buch wurde 1932 zum Welterfolg und machte Fallada berühmt. Sein neuer Status zeigte sich auch in Anfragen von Kollegen: Als etwa Erich Kästner um ein Freiexemplar bat, kommentierte Fallada trocken gegenüber seinem Verleger: «Ich finde ja eigentlich, dass er Geld genug verdient, sich selber eins zu kaufen, aber es ist schließlich nützlich, und so bitte ich Sie …». Aus der Geschäftsbeziehung war längst eine tiefe Freundschaft erwachsen. Ernst Rowohlt feierte seinen 50. Geburtstag im Haus der Falladas und schrieb ins Gästebuch, er würde gern auch seinen 75. dort verbringen – worauf Rowohlts Frau Elli trocken kommentierte: «Ohne mich.»
Rückzug, Rausch und ein letztes Meisterwerk
Während der Zeit des Nationalsozialismus zog sich Hans Fallada in die innere Emigration zurück. Doch er verstummte keineswegs: Neben Kindergeschichten und Unterhaltungsromanen verarbeitete er in «Wer einmal aus dem Blechnapf frisst» seine eigenen traumatischen Hafterfahrungen und schuf mit dem epischen Roman «Wolf unter Wölfen» ein monumentales Sittengemäde der Inflationszeit. Dennoch blieb sein Privatleben ein Schlachtfeld: Die Ehe mit seiner Frau Anna, dem Vorbild für die Figur des «Lämmchen» in «Kleiner Mann – was nun?», zerbrach. Er stürzte sich in eine zerstörerische Beziehung mit der ebenfalls suchtkranken Ursula Losch. 1944 landete er erneut in Haft, nachdem er im Rausch auf seine Ex-Frau geschossen hatte.
Doch selbst am Ende seines Lebens, körperlich längst ein Wrack, vollbrachte er ein literarisches Wunder. Ende 1946, eingeliefert in die Nervenklinik der Berliner Charité, schrieb er in einem nur wenige Wochen dauernden Schaffensrausch seinen letzten großen Roman: «Jeder stirbt für sich allein». Er starb am 5. Februar 1947, kurz vor der Veröffentlichung des Buches. Sein Werk bleibt das erschütternde Zeugnis eines Mannes, der die Hölle kannte und sie in unvergessliche Literatur verwandelte.
Timeline
- 1893 geboren als Rudolf Ditzen in Greifswald
- 1911 erster Psychiatrieaufenthalt
- 1920 erschien sein erster Roman «Der junge Goedeschal»
- 1929 heiratete er Anna «Suse» Issel
- 1931 erschien sein großer Roman «Bauern, Bonzen, Bomben»
- 1932 bringt sein Roman «Kleiner Mann - was nun?» ihm Weltruhm ein
- 1937 Veröffentlichung des monumentalen Romans «Wolf unter Wölfen»
- 1944 Dramatisches Jahr: Nach einem Schuss auf seine Ex-Frau Anklage wegen versuchten Totschlags; kurzzeitiger Bürgermeister in Feldberg; Scheidung von Anna und Heirat mit Ursula Losch
- 1947 verstorben an Herzversagen in der Berliner Charité; sein letzter Roman wird kurz darauf posthum veröffentlicht.
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