Im Gespräch

«Hätte es Otto John nicht gegeben, man hätte ihn für einen Roman über den Kalten Krieg erfinden müssen.»

Ralf Langroth auf einer Straße, er guckt direkt in die Kamarea, das Bild ist in schwarz-weiß
Otto John
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Verfassungsschutzpräsident Otto John

1954: Über Nacht verschwindet Verfassungsschutzpräsident Otto John – und taucht in Ost-Berlin wieder auf. Wurde er, wie er später behauptet, tatsächlich entführt? Auf Wunsch von Konrad Adenauer übernimmt Philipp Gerber von der Sicherungsgruppe Bonn die Ermittlungen. Gerber hat dem Bundeskanzler schon einmal geholfen, doch diesmal hat er auch ein persönliches Interesse: Seine Geliebte, die Journalistin Eva Herden, ist verschwunden, ein Foto zeigt sie an der Seite von Otto John. Als ein Barbesitzer aus dem Rotlichtmilieu ermordet wird, der viele Geheimnisse der Polit-Elite kannte, steht Eva unter doppeltem Verdacht: als Mörderin und kommunistische Agentin …

Das Interview

Sektorengrenze
ullstein bild - Herbert Maschke

Die Sektorengrenze in West-Berlin

Beide Philipp-Gerber-Krimis spielen im Nachkriegsdeutschland, in der Formierungsphase des Kalten Kriegs. Sieben Jahre vor dem Mauerbau ist die Grenze zwischen Ost und West zwar noch durchlässiger, aber die ganze Situation wirkt ziemlich explosiv. Worin liegt für Sie als Autor die Faszination der Fünfzigerjahre?
Ich versuche in meinen Philipp-Gerber-Romanen, mich in die Denk- und Sichtweise der damaligen Zeit hineinzuversetzen. Heute wissen wir, was wie gekommen ist, und haben auch Theorien über das Warum. Damals aber war jeder Schritt ein vorsichtiges Herantasten und konnte eine Tretmine explodieren lassen. Liegt Adenauer mit seiner Politik der strikten Westbindung richtig – oder führt er Deutschland geradewegs in einen 3. Weltkrieg? Die politischen Akteure wissen es selbst nicht, können nur hoffen, dass sie das Richtige tun. Das zeigt sich auch im dauernden Konflikt zwischen den beiden Hauptfiguren, dem BKA-Mann Philipp Gerber und der Journalistin Eva Herden. Er als Gefolgsmann Adenauers, sie als stramme Linke, und doch ziehen beide in der Sache an einem Strang. Ich finde es sehr spannend, wie man damals um jene Zukunft gerungen hat, die heute unsere Gegenwart und zu einem guten Teil auch schon unsere Geschichte ist.

Otto John
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Otto John, ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, bei einer Pressekonferenz nach seiner Übersiedlung nach Ost-Berlin 1954

Es war ein internationaler Skandal, als Otto John, der erste Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, im Juli 1954 in der DDR auftauchte. Ob Entführung oder freiwilliger Übertritt, das scheint bis heute nicht eindeutig klar zu sein. Wie reizvoll ist für Sie die Ambivalenz der Figur und des ganzen Falls Otto John?
Otto John ist in meinen Augen ein Stellvertreter der damaligen Zeit, wie man ihn typischer kaum findet. Die ganze Zerrissenheit der Fünfzigerjahre spiegelt sich in diesem Mann wider, der eigentlich das Gute und Richtige will, aber keinen guten und richtigen Weg dafür findet. Erst war er im Widerstand gegen Hitler, dann ist er im Widerstand gegen das politische System, dessen Verfassung er doch eigentlich schützen soll. Uneins mit sich selbst, wird er zum Spielball widerstreitender Mächte, die ihn für ihre Zwecke ge- oder auch missbrauchen. Hätte es Otto John nicht gegeben, man hätte ihn für einen Roman über den Kalten Krieg erfinden müssen.</p>
 

Borgward Hansa Coupé
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Ein Ausflug im Borgward Hansa Coupé

Man fuhr Borgward Hansa und Opel Kapitän, rauchte Chesterfield, Overstolz und Juno, im Radio sangen Vico Torriani und Caterina Valente, unverheiratete Frauen wurden noch mit «Fräulein» angesprochen … Wie haben Sie recherchiert, um so detailgenau und stimmungsvoll das Zeitkolorit einzufangen?
Auch wenn ich ein Kind der Sechziger bin, sind die Fünfzigerjahre für mich nicht so weit weg. Mit Vico Torriani und Caterina Valente bin ich aufgewachsen, mein Vater fuhr Opel, allerdings Kadett, «Fräulein» hieß es damals noch, und auf Familienfeiern rauchten meine Onkel wie die Schlote. Da konnte ich mir als Junge mit dem Zigarettenholen leicht ein paar Mark dazuverdienen. Die persönliche Erinnerung an Alltag und Klima in der frühen Bundesrepublik war also vorhanden. Um mich detaillierter in die damalige Zeit zurückzuversetzen, habe ich mir jede Menge Filme angesehen, Dokumentationen, aber auch alte Spielfilme. Das hilft ungemein, um sich in Tonfall und Lebensart der Fünfziger einzufühlen.

Ist der Geheimdienstchef Reinhard Gehlen in seiner Machtgier, seinem skrupellosen Opportunismus, seiner Amoralität als Protagonist nicht mindestens so interessant wie Otto John, von dem Gehlen sagte: «Einmal Verräter, immer Verräter»?
Anrührend an Otto John ist die menschliche Schwäche, der Drang, etwas zu bewegen, das eigentlich viel zu groß für ihn ist. Wie er sich immer mehr in seinem eigenen Tun verheddert und dadurch zu Fall kommt, das ist in meinen Augen große Tragödie. Reinhard Gehlen dagegen kennt, zumindest nach außen, keine Schwäche. John wird von einer starken Moral geleitet, mag sie ihn auch in die Irre führen. Wenn er stürzt, trägt er Wunden davon. Gehlen dagegen ist ein strikt zielgerichtetes Stehaufmännchen, eher Typ als Charakter. Als Gegenspieler für einen Roman sehr gut geeignet, als zentrale Figur aber zu glatt und stromlinienförmig.

 

Hat es diesen Peter-Plan, ein nachrichtendienstliches Geheimprojekt aus den letzten Kriegswochen, tatsächlich gegeben?
Der Peter-Plan ist reine Fiktion, entspringt also vollumfänglich der Kreativität des Autors. Reinhard Gehlens Wehrmachtsabteilung Fremde Heere Ost diente der Aufklärung und Nachrichtenbeschaffung, sollte also über die militärische Lage an der Ostfront berichten. Es war keine operative Einheit, die sich hinter der Front in Geheimaktionen gestürzt hat. Den Ehrgeiz, mit dem Peter-Plan in die Weltgeschichte einzugehen, habe ich Gehlen also angedichtet. Ansonsten war er aber tatsächlich von extremem Ehrgeiz getrieben.

 

Auch wenn Konrad Adenauer nur in wenigen Szenen des Romans vorkommt, kann man sich ihn als Politiker gut vorstellen: eigensinnig, volksnah wegen seines rheinischen Singsangdialekts («Wissen Se, Jerber ...»), bauernschlau und machtbewusst. Was glauben Sie: Hätte unsere Ex-Kanzlerin Angela Merkel das Zeug, irgendwann mal als Figur des Zeitgeschehens in einem Langroth-Roman zu landen?
Ich bilde mir ein, als Romanautor über eine gehörige Portion Fantasie zu verfügen. Aber ob die so weit reicht, einen Thriller um Angela Merkel zu stricken? Da habe ich meine Zweifel. Während Adenauer überaus umtriebig war, ein Akteur eben, ist Merkel für das Abwägen und Aussitzen bekannt. Einen Roman mit ihr stelle ich mir sehr statisch vor, und das ist für einen spannenden Thriller nicht die beste Voraussetzung. Aber wer kann in die Zukunft sehen? Vielleicht wartet ja doch ein aufregender Fall, in den Frau Merkel verstrickt ist, auf die Enkel von Philipp Gerber und Eva Herden.

 

Es kann nur eine komplizierte Liebe sein, die sich zwischen zwei so unterschiedlichen Menschen entspinnt: Hier der ehemalige Agent des US-Militärgeheimdienstes CIC, der im Krieg gegen die Nazis gekämpft hat. Dort die Journalistin Eva Herden mit Sympathien für die Sache des Kommunismus. Können Sie schon verraten, ob es mit den beiden ein Wiedersehen in einem dritten Philipp-Gerber-Roman geben wird?
Einen dritten Roman wird es definitiv geben und darin auch ein Wiedersehen mit Philipp Gerber und Eva Herden. Zwischen den beiden, Sie deuten es schon an, wird es alles andere als konfliktfrei zugehen, beruflich wie auch privat. Aber Philipp und Eva sind ja zwei Charaktere, die nicht unbedingt darauf aus sind, sich das Leben einfach zu machen. Man darf also gespannt sein, wie es mit ihnen weitergeht. Ich selbst bin es auch.

Die Philipp-Gerber-Romane

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