7 Fragen an Emily Dunlay
Der Sommer 1969 in Rom ist heiß und aufregend, voller Glamour und Intrigen – und mittendrin ist Teddy. Autorin Emily Dunlay im Interview über ihren Debütroman.

Der Sommer 1969 in Rom ist heiß und aufregend, voller Glamour und Intrigen – und mittendrin ist Teddy. Was können Sie uns über Ihre Romanheldin verraten?
Teddy entstammt der High Society von Texas, ist frisch mit einem amerikanischen Diplomaten verheiratet und erst seit Kurzem in Rom. Sie betrachtet ihre Eheschließung und ihr neues Zuhause als Chance, endlich diejenige zu werden, die sie sein soll - den Erwartungen ihrer Familie ebenso gerecht zu werden wie den Erwartungen, die die Gesellschaft an eine perfekte Ehefrau stellt: hinreißend elegant und kultiviert sein, einen tadellosen Haushalt führen, ihren Ehemann bei formellen Anlässen charmant repräsentieren. Doch Teddy fällt es schwer, sich diesem Bild anzupassen – sie ist eine Frau, die immer nach mehr verlangt, was ihr früher schon große Probleme beschert hat. Im Verlauf einiger Wochen im Sommer 1969 gerät sie durch gewisse schlechte Entscheidungen in der Vergangenheit sowie durch neue Fauxpas unaufhaltsam auf einen Weg der Selbstzerstörung, aber auch der Selbstfindung, während sie in politische Intrigen des Kalten Krieges und in einen Erpressungsskandal verwickelt wird, der ihr perfektes neues Leben unwiderruflich zu ruinieren droht.
Teddy ist eine vielschichtige, interessante und keineswegs perfekte Heldin. Ein widersprüchlicher Charakter, der LeserInnen faszinieren und zugleich frustrieren kann. Was genau hat Sie daran gereizt, Ihre Hauptfigur so ambivalent zu gestalten?
Ich wollte Teddy vor allem realistisch darstellen. LeserInnen sollen sie kennenlernen und denken: Die Frau kenne ich. Ich wollte ihr erlauben, so fehlerhaft zu sein, wie sie ist – manchmal sogar egoistisch und manipulativ -, und sie durch ihre Schwächen in nahezu ausweglose Situationen geraten lassen, anstatt die Widersprüche zu glätten und sie durchweg sympathisch zu machen. Die Figur ist ständig bemüht, die eher problematischen Anteile ihrer Persönlichkeit zu kaschieren oder auszumerzen, daher erschien es mir falsch, ihre Ecken und Kanten abzuschleifen, denn es hätte Teddys gesamten Kampf um Selbstakzeptanz konterkariert.
Außerdem finde ich Teddy im Grunde sympathisch. Sie ist sehr verletzlich und naiv. Sie versucht, sich in ihrer Welt zurechtzufinden, ohne umfassend informiert zu sein, weil sie von ihre Familie extrem eingeengt und bevormundet wurde. Die Widersprüche in Teddy spiegeln die Widersprüche der Erwartungen, die an sie gestellt werden: Sie soll sich selbst völlig im Griff haben und niemals irgendwelche Fehler machen, aber zugleich verschweigt man ihr, was hinter den Kulissen vor sich geht, und räumt ihr keine wirkliche Handlungsfreiheit ein. Diese Diskrepanz muss zwangsläufig einige schwierige Charaktereigenschaften hervorbringen. In Anbetracht dessen ist sie doch eigentlich ziemlich gewitzt.


Teddy
Teddy
Die Schilderung des glamourösen Roms in den späten 1960ern ist sehr atmosphärisch dicht und anschaulich. Warum haben Sie diesen Schauplatz für Ihren Roman gewählt?
Das Rom jener Zeit war der perfekte Schauplatz für Teddy, denn dort entstand die Art von Promi-Kultur, die uns heute so vertraut ist – Paparazzi-Fotos von Stars und der daraus resultierende Druck, stets fotogen auszusehen. Teddys Leben gerät wegen eines Fotos von ihr in einer kompromittierenden Situation aus den Fugen, was sie dazu zwingt, sich einer Version ihrer selbst zu stellen, die so gar nicht zu der Version passt, die sie nach außen zeigen möchte, und etwas Derartiges hätte sich durchaus in dem mit Stars gespickten Milieu Roms in den 1960ern abspielen können. Die Stadt war damals zudem das Zentrum für Mode und Luxus mit den Alta-Moda-Designern Valentino, Missoni, Pucci und so weiter. Natürlich gab es auch eine Kehrseite. Italien erlebte eine Welle von politischen Unruhen sowie die Auswirkungen des Kalten Krieges in ganz Europa. Teddys Ahnungslosigkeit und Abschottung von diesen Dingen, während sie sich in der Welt der amerikanischen Expatriates bewegt, werden letztendlich mitursächlich für ihr Problem.
Als Amerikanerin ist Teddy anfänglich sehr fremd in Rom. Wie verändert die Stadt sie? Ihre kleine Wohnung in Trastevere, die langen Spaziergänge durch die Stadt, die Frauen in der Botschaft?
Teddy ist in Rom aus ihrem Umfeld gerissen, weit weg von ihrer Familie und ihrem früheren Leben, wodurch sie sich recht einsam und isoliert fühlt, was ihr aber auch Raum gibt, sich selbst neu zu definieren. Die Stadt und ihre Geschichte sind ebenfalls wichtig: Teddy hat Kunstgeschichte studiert, weshalb sie sich der Symbolkraft vieler Baudenkmäler bewusst ist. Überall sieht sie Spuren eigenwilliger Frauen aus der Vergangenheit, und ihr Wissen um deren unglückselige Schicksale ist eine der Ängste, die sie antreiben. Auch Teddys lange Wanderungen durch die Stadt sind von elementarer Bedeutung für ihre Geschichte. In Kriminalromanen wird der Detektiv häufig als fahrender Ritter dargestellt, der auf der Suche nach einem Fall die Welt durchstreift, und ich stelle mir vor, dass Teddy diese Rolle gewissermaßen ungewollt einnimmt, indem sie Tag und Nacht allein durch Rom wandert in dem Versuch, den Dingen auf den Grund zu gehen.
Wie viel Recherche war erforderlich, um Teddys politischen und historischen Hintergrund authentisch darzustellen?
Für die Teile, die in Dallas spielen, musste ich nicht groß recherchieren, weil es meine Heimatstadt ist und viele meiner Verwandten während Teddys Ära dort lebten, sodass ich sie einfach nach bestimmten Details fragen konnte. Dagegen erforderten die in Rom spielenden Teile sehr viel Recherche. Im Nationalarchiv der Vereinigten Staaten fand ich einige erstaunliche Dokumente über das Leben in der amerikanischen Botschaft in Rom zu jener Zeit, darunter Fotos der Kunstsammlungen in der Botschaft und in der Botschafterresidenz – dieselben Kunstwerke, mit denen sich Teddy später beschäftigt.
Ich fand auch einige zeitgenössische Werbeartikel für amerikanische Touristen in Rom: Teddys Einkaufsstadtplan ist real. Ich habe ihn auf eBay erstanden. Außerdem habe ich viele historische Bücher und politische Biografien herangezogen, darunter auch Sachbücher über Skandale wie die Profumo-Affäre und Watergate. Ich habe eine Biografie über die US-Botschafterin in Italien in den 1950ern gelesen, Clare Boothe Luce, die erste Frau, die als Botschafterin der Vereinigten Staaten in ein wichtiges europäisches Land entsandt wurde. Sie war zwar etwas vor Teddys Zeit, doch ihre Geschichte und viele Details über das Botschaftsleben und amerikanische Politik in Europa während ihrer Amtszeit waren äußerst hilfreich, um den richtigen Ton zu treffen.
In Ihrem Roman geht es um politische Intrigen und Machtstrukturen. Teddys Entwicklung ist stark beeinflusst von der Frauenrolle ihrer Zeit, von familiären und gesellschaftlichen Erwartungen. Wie relevant ist der Roman heute noch?
In gewisser Weise ist Teddys Geschichte eindeutig ein Produkt ihrer Zeit: Vor dem Internet konnte ein einziges Foto einen großen politischen Skandal auslösen, doch Medien und Technologie haben sich seit den 1960ern so dramatisch verändert, dass ich glaube, Teddys Geschichte würde sich in einem aktuellen Kontext völlig anders abspielen. Außerdem lebt sie in einer Zeit, in der die Frauenbewegung in den USA gerade erst in Gang kam. Daher waren manche Frauen (wie die in der Botschaft beschäftigten) bereits erwerbstätig und finanziell unabhängig, doch für viele Frauen, einschließlich Teddy, bestimmten ältere soziale Zwänge weiterhin den Alltag. Ich denke, ein Jahrzehnt früher oder später hätte Teddy sich nicht ganz so fehl am Platze und zwischen den Stühlen gefühlt. Andererseits unterliegen Frauen heutzutage noch immer so manchen traditionellen Zwängen, und es sind etliche neue hinzugekommen. Ich vermute, Teddy hätte sich beispielsweise gegen die in Sozialen Medien verbreiteten unrealistischen Schönheits- und Erfolgsnormen gesträubt.
Wenn Sie sich wünschen könnten, was Ihre LeserInnen aus dem Roman für sich mitnehmen, was wäre das?
Teddy beschäftigt sich zwanghaft mit unrealistischen Schönheits- und Verhaltensnormen, weil sie glaubt, sie muss ebenso makellos sein wie die Darstellungen von Frauen, die sie in Modezeitschriften und auf Porträtgemälden sieht. Daher wäre ich froh, wenn LeserInnen zu derselben Einsicht kämen, wie ich sie mir auch für Teddy wünschen würde: Du wirst nie die perfekte Frau auf dem Bild sein. Das ist unmöglich. Lebendige, atmende Menschen haben Makel und Schwächen, die in einem gestellten Foto oder einer Skulptur nie richtig erfasst werden können. Und jeder, der dir sagt, du müsstest diesen Idealen entsprechen, meint es womöglich nicht gut mit dir.