Im Gespräch

5 Fragen an Carmen Korn

Carmen Korn schildert in ihrem neuen Roman «In den Scherben das Licht» das Hamburg der Nachkriegsjahre, von der Trümmerlandschaft bis zum Wirtschaftswunder. Im Interview spricht die Autorin über die Überlebenslust und Zuversicht ihrer Figuren, die durch ihre eigenen Familiengeschichten inspiriert wurden.

5 Fragen an Carmen Korn

«In den Scherben das Licht» spielt in einer Zeit des radikalen Umbruchs. Was hat Sie am meisten daran fasziniert, das Hamburg der Nachkriegsjahre zu schildern – von den Trümmerlandschaften bis hin zur Währungsreform und dem Beginn des Wirtschaftswunders?

Erzählungen aus Krieg- und Nachkriegszeit haben mich schon früh fasziniert. Anders als in anderen Familien sprach man bei uns darüber. Vor allem die Frauen. Für das Kind wurde das Heitere in den Erinnerungen hervorgehoben. Je älter ich wurde, desto ernster die Themen. Das Interesse war geweckt und dauert noch an.

 

Sie beschreiben die Realität der Nachkriegszeit sehr anschaulich, dennoch ist der Roman nie hoffnungslos. Es geht um Neuanfang, Wiederaufbau und die Zuversicht, an eine Zukunft zu glauben. Woher nehmen Ihre drei Hauptfiguren – Friede, Gert, Gisela – diese Zuversicht?

Die Zuversicht der drei wurde auch von den Familiengeschichten in meiner Kindheit inspiriert. Am Ende des Krieges war meine Mutter sechzehn Jahre alt, meine Großmutter sechsunddreißig. Junge Menschen, die Lust aufs Leben hatten, ohne Bomben und Bunker. Das Gleiche gilt für meinen Vater, der 1946 als Zweiundzwanzigjähriger nach vier Jahren Krieg und Gefangenschaft aus Russland zurückkehrte. Ich denke, die Überlebenslust von ihnen geerbt und sie vor allem auf Friede und Gisela übertragen zu haben, die beide das Talent besitzen, in den Scherben das Licht zu finden. Der grüblerische Gert tut sich am Schwersten mit der Leichtigkeit.

Die Trümmer waren weggeräumt und mit ihnen alles, was das Gewissen belastete.

Die drei gehen sehr unterschiedlich um mit den Kriegserfahrungen und den Erinnerungen an das Erlebte – im Fall von Friede auch mit der Frage nach der eigenen Schuld. Sie selbst sind 1952 geboren. Wie haben Sie den Umgang der noch jungen Bundesrepublik mit der eigenen Vergangenheit erlebt?

Als ich anfing, meine Umwelt wahrzunehmen und größere Kreise zu ziehen, lebten wir schon im «Wirtschaftswunderland». Die Trümmer waren weggeräumt und mit ihnen alles, was das Gewissen belastete. Wenn es zu einer gerichtlichen Aufarbeitung kam, dann war die oft fahrlässig. Ich denke an den Hamburger Prozess gegen Veit Harlan, den Regisseur von «Jud Süß». Da stand Harlan bei der Revision vor demselben als Nazi bekannten Richter, der ihn schon beim ersten Mal von jeglicher Schuld freigesprochen hatte. Nach dem zweiten Freispruch wurde Harlan unter Jubel auf den Schultern seiner Verehrer aus dem Gericht getragen. Die Nazis waren überall, wo sollten sie auch geblieben sein. Das wusste ich als Kind natürlich noch nicht.

Im Zentrum des Romans steht auch die Idee der «Wahlfamilie» in einer Zeit, in der viele Menschen ihre Ursprungsfamilie verloren hatten. Was bedeutet für Sie selbst der Begriff «Familie» – und inwieweit können wir diese Familie auch jenseits der Menschen finden, mit denen wir verwandt sind?

Familie ist mir sehr wichtig, meine eigene ganz klassische mit Kindern und Enkelin, und auch die Familie, in die ich hinein geboren wurde. Doch ich hänge nicht dem Glauben an, dass Blut dicker als Wasser sei. Die Freunde, die hinzukommen, die Menschen, die uns ein Leben lang begleiten, gehören genauso zur Familie. Da sind die «Blutsverwandten» nicht immer die bessere Wahl.

 

Und zum Schluss eine ganz klassische Frage: Wer sollte «In den Scherben das Licht» lesen und warum?

 Diejenigen, die gerne von der Geschichte jener Jahre erfahren wollen und das eingeflochten in einem Roman, der von Freundschaft und Liebe erzählt, aber die Schrecken der Zeit mit ihren vielen Verlusten nicht verschweigt.

Charlotte Schreiber
© Charlotte Schreiber
Carmen Korn

Carmen Korn wurde 1952 in Düsseldorf als Tochter des Komponisten Heinz Korn geboren. Nach ihrer Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule arbeitete sie als Redakteurin u.a. für den «Stern». Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

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