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Man sagte uns, sie würde keine Umstände machen

Wie Jojo Moyes zu ihrem Pyrenäenhund BigDog kam – eine Liebesgeschichte

Wie Jojo Moyes zu ihrem Pyrenäenhund BigDog kam – eine Liebesgeschichte
© The Times / News Licensing

Die späten Vierziger, so lautet eine Binsenweisheit,  sind ein gefährliches Alter. Und auch ich habe vor zwei Jahren eine neue Liebe gefunden, die nicht mein Ehemann war, allerdings war sie auch kein junger Liebhaber oder meine auf Facebook wiedergefundene Jugendliebe – sondern ein achtundfünfzig Kilo schwerer Pyrenäenhund.

Sehr groß, ziemlich betagt – und unwahrscheinlich lieb

Ich hatte nicht vor, mir noch ein Haustier zuzulegen; wir hatten, wie es mein Mann ausdrückte, den Tiergipfel erreicht mit unseren drei Pferden, drei Katzen und einem Border Terrier (zusätzlich zu drei Kindern). Andererseits waren wir gerade in ein großes Haus gezogen, als einer Freundin auf der Website des örtlichen Tierheims ein Hund auffiel. Er war viel zu groß und mit sieben Jahren zu betagt, um einfach so ein neues Zuhause zu finden. Niemand will einen Hund, der höchstwahrscheinlich bald zum Tierarzt muss oder Schlimmeres (übergroße Hunde werden normalerweise nicht sehr alt).


Rückblickend weiß ich nicht so recht, was mich dazu gebracht hat, ihn mir anzusehen, jedenfalls fuhr ich mit meiner Familie zu einem kleinen Tierheim, das vor Pflegehunden überquoll, und da war sie (denn es ist eine Sie), ein melancholisches weißes Hundepony. Man sagte uns, sie würde Tiere und Käse lieben, nicht auf Katzen reagieren und «keine Umstände» machen. Und mir selbst sagte ich, dass es eine gute Tat wäre.


Ich habe ein ganz neues Verständnis für all diejenigen entwickelt, die ein Kind adoptieren. Schon auf die Überprüfung unserer Eignung als Hunde-Zuhause zu warten, machte mich so nervös, dass ich vor lauter Sorgen um drei Uhr nachts aufwachte. Unser Grundstück ist beinahe neun Hektar groß, aber wir haben keinen abgeschlossenen Garten. Würde das gegen uns sprechen? Hätten wir den Teich einzäunen sollen? Wäre ungekämmtes Haar ein Hinweis auf potenzielle Vernachlässigung der Hunde-Fellpflege? Doch als der Mann vom Tierheim schließlich zu uns kam, betrachtete er unser Grundstück und sagte: «Ich weiß nicht, warum wir das machen. Ehrlich gesagt würde ich mich gern selbst von Ihnen adoptieren lassen.»


Eine Woche später fuhr ich in meinem Geländewagen einen Hund nach Hause, den in den Kofferraum zu hieven uns selbst zu zweit zwanzig Minuten gekostet hatte (sie ist zu alt zum Springen). Sie jammerte auf der ganzen Fahrt – ein schrecklicher, klagender Ton –, während ich sie über den Rückspiegel beobachtete und dachte: «Was um alles in der Welt habe ich bloß getan?» Wie mir später klarwurde, war sie schon so oft in Pflege gegeben worden, dass sie einfach geglaubt hatte, nur wieder einmal verpflanzt zu werden.

Pyrenäenhunde lieben Kinder

Alltagsroutine und Bewegung sind nach meiner Erfahrung der beste Weg, ein Tier einzugewöhnen. Wir machten uns daran, oft und regelmäßig mit ihr spazieren zu gehen, doch nach wenigen Tagen hinkte BigDog schrecklich. Ich recherchierte zu Arthritis, Problemen mit den Gelenken und Hüftdysplasie – bis ich mir endlich ihre Pfoten ansah. Die Sohlen waren zart wie rosa Seide, was bei Hunden, die zu Zuchtzwecken gehalten werden, häufig vorkommt. Also liefen wir auf Gras, bis sich Hornhaut an ihren Sohlen gebildet hatte, und ich hegte finstere Gedanken über Welpenfarmen.


Die ersten Wochen waren nicht einfach. Sie jammerte oft, bekam Blasenentzündungen und fraß unregelmäßig. Unsere Katzen reagierten mit furchtsamen Blicken und Empörung. Unsere Kinder dagegen hatten keine Bedenken. Sie vergruben sich in ihrem weichen Fell, legten sich auf sie und erzählten ihr Geschichten. Pyrenäenhunde lieben Kinder. Während jeder erwachsene Besucher bei uns einen Empfang erlebt, der an «The Revenant» erinnert, kann ein Kind einfach hereinkommen, und sie senkt den Kopf, ist augenblicklich sanft und gehorsam (das ist eine Besonderheit dieser Hunderasse). Nach einigen Monaten wurde sie fröhlicher und hörte auf, im Auto zu jaulen (wir hatten eine Spezialrampe aus Deutschland bestellt, damit sie leichter hinein- und herauskam). Die Katzen begannen, uns auf unseren Spaziergängen zu begleiten, und ich selbst hatte mich ganz unerwartet rettungslos verliebt.


Ich liebe alle meine Tiere. Aber BigDog betet mich auf eine Art an, mit der ich nicht gerechnet hatte. Das ist ablenkend, stürmisch und zeitaufwendig. Die meisten Hunde schauen weg, wenn man ihren Blick erwidert, aber sie sieht einen einfach weiter an, als wollte sie ihr Gegenüber in sich aufsaugen. Wenn sie sich ausruht, hebt sie gelegentlich den Kopf, um festzustellen, wo ich bin, bevor sie zustimmend grummelt. Abends kommt sie zu jedem Familienmitglied, um sich umarmen und das weiche Fell am Kopf streicheln zu lassen, bevor sie sich schlafen legt.


Als sie ein Jahr bei uns war, begann sie, mit dem Schwanz zu wedeln (es hat mir fast das Herz gebrochen, als mir diese Verzögerung bewusst wurde). Und sie begann zu spielen, schleuderte Spielzeug durch die Luft oder galoppierte den Korridor entlang. Wir haben inzwischen gelernt, uns bei dieser Gelegenheit augenblicklich flach an die Wand zu drücken, während Lampen herumfliegen, der Teppich Ziehharmonikafalten schlägt und Nippes von den Regalen fällt. Größer als ein Shetlandpony, hat sie sowohl meinen Mann als auch mich schon buchstäblich von den Füßen gerissen (ich habe die Lesereise für mein Buch «Ein ganzes halbes Jahr» mit einem verstauchten Gelenk absolviert; mein Mann musste nach einer zu stürmischen Begrüßung eine Kniebandage tragen). Vor kurzem hat sie angefangen, beim Abendessen mit uns zu «reden». Sie legt sich neben dem Küchentisch auf die Seite, jault und grunzt, dann wartet sie, bis eine Antwort kommt, und «redet» weiter (ich habe Aufnahmen davon auf Instagram eingestellt: https://www.instagram.com/jojomoyesofficial/?hl=en ).

20 Minuten, bis einem die Beine taub werden und abfallen

Wenn man ein Tier aus dem Tierheim aufnimmt, erlebt man die unerwartete Freude, beobachten zu können, wie es sich öffnet, Vertrauen zu seiner Umgebung entwickelt und zeigt, dass es glücklich ist. Mir ist bei jedem Ausflug in den Wald, bei jedem Bauchkraulen bewusst, dass ich BigDogs Leben unendlich viel besser gemacht habe, und während der letzten Jahre, die nicht immer einfach waren für unsere Familie durch ernste Krankheiten, schwere Operationen sowie die Herausforderungen von Arbeit, Politik und Leben, war sie uns umgekehrt eine ständige Quelle der Freude und Zuneigung. 


Frei von Herausforderungen ist das Leben mit BigDog aber auch nicht. Der Teppichreiniger ist häufig im Einsatz – ihre schwache Blase hat zur Folge, dass sie alle drei Stunden rausmuss. Lautstarke Missbilligung äußert sie gegenüber Radfahrern, Motorrollern und einmal auch (wir wären vor Scham am liebsten im Erdboden versunken) gegenüber einem motorisierten Rollstuhl. Sie hegt irrationale Abneigungen und muss eingeschlossen werden, damit sie nicht einen einzeln stehenden Gast «zur Herde treibt». Sie hat mir beinahe die Schulter ausgerenkt, braucht fachmännische Fellpflege und teures Glucosamin für ihre Gelenke, und wenn sie sich einem auf den Schoß setzt, hat man zwanzig Minuten, bis einem die Beine taub werden und abfallen.


Wie die meisten Pyrenäenhunde betrachtet BigDog die Leine als Beleidigung ihrer Würde und die Befolgung von Befehlen als freiwillige Entscheidung. Letzten Sommer, als meine New Yorker Lektorin zum Mittagessen kam, hat sie sich einfach während des Nachtischs davongemacht. Ich habe keine Ahnung, wie etwas so Großes und Weißes so vollständig von der Bildfläche verschwinden kann, aber das Essen wurde abgebrochen, und wir durchkämmten die Umgebung zu Fuß, im Auto und mit dem Quad. Nach zwei Stunden wurde ich leicht hysterisch; ich hatte das gleiche Gefühl wie damals, als unser Sohn mit zwei Jahren kurz in einem Supermarkt verlorengegangen war.


Ich bezahlte einen Taxifahrer aus dem Ort, damit er die Lektorin nach London zurückbrachte, und erklärte, dass ich nirgendwohin fahren konnte, solange BigDog vermisst wurde. Eine Stunde später entdeckten wir sie schließlich, erschöpft, zufrieden und tintenschwarz, nachdem sie offensichtlich im brackigsten, stinkendsten Graben des gesamten Countys schwimmen gegangen war. Ich weinte vor Erleichterung (und dann noch einmal, als ich die Rechnung des Hundefrisörs sah).

Mein melancholisches weißes Hundepony

Ich bin nicht die Einzige, die sie liebt. Es ist unmöglich, ein Dutzend Schritte in meiner Stadt zu gehen, ohne dass Leute stehen bleiben, um mit ihr zu reden und zu lächeln. Sie ist ein bevorzugter Gast in dem Café, in dem ich schreibe, und die Bedienungen steigen über sie hinweg, ohne sich zu beschweren. Mit ihr zusammen bin ich nicht mehr die Autorin, sondern einfach das Anhängsel von BigDog. (Nur fürs Protokoll, die Antworten lauten: Nein, sie frisst gar nicht so viel. Sie sabbert nur, wenn sie unter Stress steht. Und sie sind auch nicht größer als die von jedem anderen Hund, Gott sei Dank.)


Meine Kinder witzeln, dass ich BigDog mehr vermisse als sie, wenn ich unterwegs bin. Das ist nur deshalb lustig, weil sie BigDog auch mehr als mich vermissen (sie haben sogar einen Instagram-Account für sie eingerichtet). Selbst mein Mann, den man nicht gerade als Vielredner bezeichnen kann, schmilzt bei BigDog dahin, was ich entdeckt habe, als ich zufällig mithörte, wie er mit ihr sprach: «Magst du dein Frühstück nicht? Nein? Soll ich dir ein bisschen Parmesan draufreiben?» (Der Hund in meinem neuen Buch «Mein Herz in zwei Welten» hat diese kulinarische Vorliebe ebenfalls angenommen.)


BigDog hat unbewusst dafür gesorgt, dass es mit meinem Schriftstellerinnenrücken besser wurde, weil ich gezwungen bin, wenigstens vier Mal täglich meinen Schreibtisch zu verlassen. Sie hat meinen Mann und mich näher zusammengebracht – wir gehen frühmorgens gemeinsam spazieren. Selbst der launischste Teenager muss über die ängstliche Unterwürfigkeit kichern, die sie unserer wilden, alten Tierheim-Katze gegenüber an den Tag legt, oder wenn Madame Floof (wie meine Kinder sie nennen) im Schlaf mit ihren enormen Pfoten rudert.


Als wir BigDog nach Hause brachten, haben wir den Kindern erklärt, dass wir sie in Anbetracht ihres Alters im besten Fall vier Jahre lang haben würden. Ich hatte das damals ziemlich locker ausgesprochen. Aber jetzt, nach zwei Jahren, kommen mir die Tränen, wenn ich zu genau darüber nachdenke, was das bedeutet, und ich beobachte jedes Hinken, jedes erschöpfte Hinlegen mit Sorge.


Aber vielleicht ist die Lektion, die wir von Tieren lernen, einfach die: Liebe ist flüchtig, kommt häufig unerwartet und muss erkannt werden, wenn sie sich einstellt. Fürs Erste hat mich ein überdimensionaler Hund mit Trauermiene gelehrt, in der Gegenwart zu leben und einfach jeden Tag zu genießen, den wir haben. Was wir als Familie besonders von Hunden aus dem Tierheim gelernt haben, ist, dass man durch das Geben in Wahrheit etwas geschenkt bekommt. 


Und falls irgendjemand interessiert sein sollte: Das Heathlands Animal Sanctuary sucht ein Zuhause für Glenda, einen besonders schwermütig aussehenden sechsjährigen Bernhardiner. Ich wette, Glenda ist großartig. http://heathlands.org.uk/


Übersetzung: Karolina Fell

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