Wolf Harlander im Interview: Plastik ist ewig!
Verseuchung der Meere durch Plastikmüll, unsichtbare Gifte in unserer Ernährung: Niemand ist auf diese Katastrophe vorbereitet ...

Sie haben ein Faible für Thrillerthemen von furchterregender Aktualität: terroristische Internetattacken, brutale Hitzesommer, die Militarisierung des Nordmeers. In Ihrem neuen Thriller geht es um die Kontamination von Land und Wasser durch Plastik/Mikroplastik und die fatalen Auswirkungen auf unser Leben. Was hat Sie zu diesem Thema geführt?
Auch ich habe in den Medien all die aufrüttelnden Bilder gesehen: kilometerlange Strände in ehemaligen Urlaubsparadiesen, verseucht durch Plastikmüll; gigantische, im Meer treibende Plastikinseln wie der Great Pacific Garbage Patch; Unmassen verendender Vögel und Fische. Das fand ich schockierend, diese Bilder haben mich nicht mehr losgelassen. Ich habe dann mehrere Monate recherchiert. Unterm Strich war die Erkenntnis ernüchternd: Plastik ist ewig. Es verrottet nicht, es wird von der Natur nicht abgebaut, sondern zerfällt in kleinste Partikel und bleibt endlos lange Zeit erhalten. Zugleich habe ich mir die Frage gestellt: Wo ist Mikroplastik sonst noch zu finden? Wie schädlich ist das Zeug für unsere Gesundheit? Warum tun wir nicht mehr dagegen? Das war der Ausgangspunkt für meinen neuen Thriller.
In «Partikel» mischen eine Menge Akteure mit. Kriminelle, die auf illegalen Deponien Plastikmüll entsorgen und im Zweifelsfall über Leichen gehen. Gekaufte Politiker, zynische Lobbyisten, Anwaltskanzleien auf der Jagd nach neuen Geschäftsfeldern. Großkonzerne und Startups, die an neuen Verfahren zur Plastikzersetzung – etwa via Algenbiotechnologie – arbeiten. Ist das Geschäft mit dem Müll wirklich so lukrativ?
Es ist ein Milliarden-Business, von dem verschiedenste Akteure profitieren. Abfall gilt als «dreckiges Gold», reguläre Entsorgungsunternehmen verdienen daran genauso wie Kriminelle. Zudem sind die Wege illegaler Plastikmüll-Entsorgung meist kaum nachvollziehbar – Straftäter haben also bislang wenig zu befürchten.
An einer Stelle des Romans heißt es: «Niemand hat sich mit der unnachgiebigen Widerstandsfähigkeit des Kunststoffs beschäftigt, nicht mit seiner fatalen Eigenschaft, sich aufzulösen in immer kleinere Teile, winzige Partikel, mikroskopische Splitter eines fehlgeleiteten Traums. Es ist überall. Und es hat Zeit.» Trotz aller Dringlichkeit und Dramatik aber scheint das Thema bei uns irgendwie im Wahrnehmungsabseits festzustecken. Warum ist das so?
Plastik ist zum Inbegriff der Konsumgesellschaft geworden. Wir leben im Plastikzeitalter – eigentlich weiß das auch jeder. Plastik hat längst alle Lebensbereiche des Menschen erobert. Es ist billig herzustellen und gut zu verarbeiten. Deshalb nahmen wir dieses Material lange Zeit als selbstverständlich, sahen nur die Vorteile. Aber die Einstellung Kunststoffen gegenüber wandelt sich gerade. Die negativen Folgen für unseren Alltag, für unser Essen und Trinken, unsere Gesundheit werden immer sichtbarer.
Gibt Ihnen irgendetwas Hoffnung, dass es nicht nur an Fridays um Future geht? Was muss politisch passieren, damit es zu ernsthaften, nachhaltigen Anstrengungen zur Bekämpfung der Umweltkatastrophen kommt?
Ich denke, bei den meisten Menschen ist ein klares Bewusstsein vorhanden für die Aufgaben, die vor uns liegen und von uns allen zu bewältigen sind. Auch Unternehmen, gesellschaftliche Gruppen und die Politik haben überwiegend die Probleme erkannt. Nur bei der Umsetzung, beim konkreten Handeln wünscht man sich mehr Entschiedenheit.


Partikel
Partikel
Ihr Thriller ist extrem spannend, facetten- und detailreich. Auch deshalb, weil man als Leser:in nie so genau weiß: Ist das noch literarische Fiktion oder schon die Realität, in der wir mittendrin stecken? Zum Beispiel bei Sätzen wie diesem: «Wir alle, Sie und ich, nehmen jede Woche fünf Gramm Mikroplastik zu uns. Das ist so viel wie eine Kreditkarte. Jede Woche essen wir eine Kreditkarte ...»
Plastik bestimmt unseren Alltag: Wir tragen gerne Fleecejacken und Sneaker, haben Kunststoffbecher und Kunststoffzahnbürsten – die Liste ist endlos. Das Problem ist das Mikroplastik, die kleinsten, kaum sichtbaren Teile, die sich ungebremst ausbreiten können.
Sind es diese existenziellen Fragen, die Sie als Autor antreiben? Anders gefragt: Ist das Ihre Art von Aktivismus, von politischem Engagement?
Im Zentrum stehen für mich immer die Figuren und die Geschichte, die mit ihnen verbunden ist. Der Roman soll vom Anfang bis zur letzten Seite spannend sein. Dabei helfen natürlich Themen, die aktuell und greifbar sind, Themen, die Leser und Leserinnen in ihrem Alltag kennen und die sie bewegen. Und wenn man beim Lesen nebenbei ein kleines Stück Wissen und Wahrheit über die betreffende Problematik mitnehmen kann – umso besser.
Nicht alle Geschichten in diesem Buch sind auserzählt, Stichwort: Nelson Carius. Noch immer versucht der Mann vom Bundesnachrichtendienst den mysteriösen Tod seiner Eltern aufzuklären (treue Harlander-Leser kennen ihn). Wird es einen neuen Fall geben, in dem auch Carius und seine BND-Kollegin Diana mitmischen?
Ich arbeite gerade an einem neuen Stoff, der wieder ein spannendes aktuelles Thema aufgreift. Selbstverständlich werden die beiden BND-Agenten wieder mit dabei sein – Überraschungen sind garantiert.