Im Gespräch

Moderner Fußball und seine Erfolgsformeln

«Loyalität ist eine wunderbare romantische Vorstellung. Im Spitzensport zählen andere Parameter: Erfolg und Geld» (Robert Lewandowski)

Interview mit Tobias Escher
© Studioline Photography

Warum dominiert Bayern München den deutschen Fußball, und wieso gewinnt Real Madrid immer wieder die Champions League? Wie schafft es der FC Freiburg, mit relativ kleinem Budget regelmäßig einen Top-Tabellenplatz zu erringen, und weshalb stellt der FC Liverpool theoretische Physiker an? Technik, Taktik, Psychologie, Gruppendynamik, Fitness, sogar die Länge der Rasenhalme: Jeder noch so kleine Faktor kann über Sieg oder Niederlage entscheiden. Und doch stehen seit Jahren dieselben Klubs an der Spitze. Tobias Escher entschlüsselt die Geheimnisse und Strategien der großen und kleinen Sieger des europäischen Fußballs. Dabei zeigt er, wie der moderne Fußball funktioniert und wie er sich im vergangenen Jahrzehnt entwickelt hat.

DAS INTERVIEW

Manchester City, FC Bayern München, Borussia Dortmund, FC Liverpool, Real Madrid, SC Freiburg und Eintracht Frankfurt: sieben Teams, alle auf ihre Weise erfolgreich. Nach welchen Kriterien haben Sie sich gerade diese sieben herausgepickt?
Mir waren zwei Kriterien wichtig: Ich wollte auf der einen Seite möglichst viele Facetten des modernen Fußballs beleuchten. Alle Vereine haben eine einzigartige DNA, mit der sie sich von ihren Konkurrenten absetzen. Das Kapitel zum FC Liverpool dreht sich etwa um Daten-Analyse im Fußball. Das zweite wesentliche Kriterium war die Frage, ob ich mich mit diesen Teams auskenne. Aus diesem Grund sind der deutsche und der englische Fußball etwas überrepräsentiert. In diesen Ländern bin ich fußballerisch beheimatet.

Bei jedem der Teams konzentrieren Sie sich auf einen Erfolgsbaustein (moderne Infrastruktur, Vereinsphilosophie, Scouting, Daten-Analytics etc.). Überrascht hat mich, dass in Ihrer 7er-Liste RB Leipzig fehlt – der Verein, der vor zehn Jahren das wohl aufregendste Teambuilding-Experiment im deutschen Fußball gestartet hat ...
Die RB-Welt ist ein kompliziertes Konstrukt. Sie haben einen weltweiten Konzern geschaffen, der Synergien schaffen will zwischen Deutschland, Österreich und den USA. Momentan befindet sich die Filiale in Leipzig aber in einer Identitätskrise. Seit dem Weggang von Ralf Rangnick konnte der Verein noch nicht definieren, wie der eigene Fußball aussehen soll. Das klassische Leipziger Spiel – schneller Umschaltfußball – soll generalüberholt werden. Solange aber noch keine neue Idee geschaffen wurde, habe ich erst einmal einen Bogen um den Verein gemacht.

Sieht man mal von den gigantischen Geldsummen ab, die Abu Dhabi in ManCity steckt, so scheint Pep Guardiolas Klub ein Beispiel dafür zu sein, mit einem klaren Plan zu einer Macht im Weltfußball aufzusteigen. Was macht ManCity aktuell besser als etwa Paris Saint-Germain oder FC Barcelona?
Abu Dhabis Machthaber haben seit der Übernahme 2008 mehr in den Fußball investiert als jeder andere Klubbesitzer. Gerade in den ersten Jahren schlug sich dieses Investment nicht in Ergebnissen wieder. Mit den Jahren haben sie verstanden, dass sie nicht nur in Beine, also Spieler, sondern auch in Steine und Köpfe investieren müssen. Heute residiert City im modernsten Klubgelände der Welt und stellt einige der fähigsten Leute an. Ihr Investment amortisiert sich mittlerweile: City schreibt Gewinne, auch auf dem Transfermarkt nahm man zuletzt mehr ein, als man ausgab.

Das Schöne am Fußball ist die Tatsache, dass nicht immer dasjenige Team gewinnt, das besser spielt.

Was Real Madrid 2021/22 in der Champions League gelang, ist ein kleines Mysterium. Gegen vier europäische Topklubs (PSG, FC Chelsea, ManCity, FC Liverpool) setzten sich «die Königlichen» unter zum Teil abenteuerlichen Bedingungen durch und holten den Titel. Aber «immer Glück ist Können», so sieht Hermann Gerland das. Ist das so?
Das ist das ewige Rätsel. Das Schöne am Fußball ist die Tatsache, dass nicht immer dasjenige Team gewinnt, das besser spielt. Im Basketball können sie schwerlich mithilfe eines «Glückstreffers» gewinnen. Im Fußball geht das. Real Madrids Erfolg auf Glück zu reduzieren, täte ihnen aber nicht recht. Es ist der tiefe Glaube an die eigene Stärke. Real gibt sich selbst in der 90. Minute nicht auf. Das hat Gründe, die ich in meinem Buch erläutere.

Wie sehr strategische Erfolgskonzepte vom Spitzenpersonal in den Vereinen abhängen, demonstriert in der Bundesliga der SC Freiburg. Sportvorstand Jochen Saier, Klemens Hartenbach als sportlicher Leiter der Fußballschule und Trainer Christian Streich arbeiten seit Jahrzehnten gemeinsam für den Sportklub. Was haben die Breisgauer dem Gros der Bundesliga voraus?
Streich, Saier und Hartenbach arbeiten bereits seit fast zwanzig Jahren gemeinsam für den SC Freiburg. Für mein Buch habe ich mit Klemens Hartenbach sprechen können. Im Gespräch mit ihm wird deutlich, was die ominöse «SC-Freiburg-DNA» in der Praxis bedeutet: Er spricht ständig in der ersten Person Plural. Entscheidungen treffe nicht er allein, sondern das gesamte Team. In Freiburg kennt man sich – und alle ziehen an einem Strang.

Was Teams erfolgreich macht

Warum dominiert Bayern München den deutschen Fußball, und wieso gewinnt Real Madrid immer wieder die Champions League? Wie schafft es der SC Freiburg, mit relativ kleinem Budget regelmäßig einen Top-Tabellenplatz zu erringen, und weshalb stellt der FC Liverpool theoretische Physiker an? Technik, Taktik, Psychologie, Gruppendynamik, Fitness, sogar die Länge der Rasenhalme: Jeder noch so kleine Faktor kann über Sieg oder Niederlage entscheiden. Und doch stehen seit Jahren dieselben Klubs an der Spitze. Tobias Escher analysiert die derzeit erfolgreichsten Vereine und entschlüsselt die Geheimnisse und Strategien der großen und kleinen Sieger des europäischen Fußballs. Dabei zeigt er, wie der moderne Fußball funktioniert und wie er sich im vergangenen Jahrzehnt entwickelt hat.


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Roman Abramowitschs Investment bei Chelsea war der Startschuss für den «Hyperkapitalismus» im Fußball, den dann Abu Dhabi in Manchester und Katar in Paris auf die Spitze getrieben haben. Wer genügend Geld in die Umlaufbahn pumpt, scheint sich wegen Menschenrechtsverletzungen keine Sorgen machen zu müssen. Was erwarten Sie sich in dieser Hinsicht von der Advents-WM 2022 in Katar?
Politische Akteure auf der ganzen Welt haben entdeckt, dass man den eigenen Ruf mithilfe des Sports reinwaschen kann. Die WM 2022 wird dieses Phänomen namens «Sportswashing» auf die Spitze treiben. Katars Klub Paris Saint-Germain hat gerade erst mit Kylian Mbappé einen Rekordvertrag abgeschlossen. Sie wollten unbedingt, dass er während ihrer Heim-WM bei «ihrem» Klub spielt. Diese Karte werden sie ausspielen. Sie wollen zeigen: Katar ist Teil der Fußballwelt – und sie sind gekommen, um zu bleiben.

Ein Blick über den Gartenzaun in Richtung Frankreich zeigt, weshalb der Fußball dort über das mit Abstand größte Talentreservoir in Europa verfügt. Was könnte der deutsche Fußball vom «System Clairefontaine» lernen?
In Frankreich greift der Verband viel stärker in die Talentausbildung ein. Während hierzulande die Vereine und die Landesverbände viel Macht besitzen, bildet der französische Verband selbst Spieler aus. Kylian Mbappé etwa besuchte das legendäre Trainingszentrum Clairefontaine vor den Toren von Paris. In meinem Buch erkläre ich, wieso dieses System so viele tolle Talente hervorbringt – und wieso das deutsche Nachwuchssystem aktuell kriselt.

Tobias Escher

Tobias Escher

Tobias Escher ist Mitbegründer des Taktikblogs «Spielverlagerung.de», das zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat. In der Internetsendung «Bohndesliga», einer Produktion von Rocket Beans TV, analysiert er die Spiele der Bundesliga. Als freier Journalist schreibt Escher für die «WELT» sowie für das Fußball-Magazin «11 Freunde». Das Medium-Magazin wählte Escher 2013 unter die besten zehn Sportjournalisten. Bei Rowohlt erschienen zuletzt seine Bücher «Der Schlüssel zum Spiel: Wie moderner Fußball funktioniert» und «Was Teams erfolgreich macht».

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