Elke ist eine junge Pastorin, die in Köln arbeitet. Als sie eines Tages einer alten Dame am Sterbebett das Vaterunser sprechen soll, kommt ihr kein Wort über die Lippen. Sie hat den Text vergessen, und zwar sämtlicher Gebete. Ist das Gottdemenz? Elke beschließt, in die norddeutsche Provinz zu fahren, an den Ort ihrer Kindheit. Doch auch nach all den Jahren fühlt es sich seltsam an, mit ihren Eltern am Esstisch zu sitzen, wenn der vierte Platz leer bleibt. Elke trifft Eva wieder, die ehemalige Freundin ihres Bruders, der damals zu weit auf den See hinausschwamm. Und während sie am Ufer sitzt und aufs Wasser schaut, ahnt Elke, wo sie beginnen muss, nach den verloren gegangenen Worten zu suchen ...
Ein hinreißender Roman voller Leichtigkeit und Tiefe, wortgewandt und fantasievoll.
DAS INTERVIEW
Es gibt Ideen, Geschichten, Themen, von denen man weiß: Das muss raus, das muss ich machen. Genau den Eindruck hat man bei Ihrem Romandebüt «Die Ewigkeit ist ein guter Ort». Wie lange hat der Wunsch, genau dieses Buch zu schreiben, in Ihnen geschlummert?
Ich wollte schon lange einen Roman schreiben, der sich mit den Glaubenssätzen, mit denen wir aufwachsen, auseinandersetzt. Meiner Meinung nach gehört es zum Erwachsenwerden dazu, sich diesbezüglich zu positionieren. Wenn diese Glaubenssätze über Generationen internalisiert und weitergetragen werden, ist es aber gar nicht leicht, die Reibungsflächen überhaupt zu sehen. Den Prozess wollte ich sichtbar machen. Meine Hauptfigur Elke sollte herausfinden, wo sie steht – nicht als Theologin oder als Tochter eines Theologen, sondern als Mensch.
Elke, die Protagonistin des Romans, soll als Pastorin die Gemeinde ihres Vaters übernehmen. Auch in Ihrer eigenen niederländisch-deutschen Familie haben Religion, Kirche und Glauben eine wichtige Rolle gespielt. Möchten Sie uns ein bisschen über Ihren biografischen Background erzählen?
Mein Vater ist emeritierter Theologe, und auch meine Schwester promoviert gerade in Theologie. Religion, Kirche und Glauben waren integrale Bestandteile meiner Kindheit. Und ich war ein sehr frommes Kind. Ich war sicher, Gott sieht alles: auch das Nasepopeln oder Gummibärchenklauen. Gott war im wahrsten Sinne des Wortes ein allmächtiger Vater, und das war nicht unbedingt positiv besetzt. Aber als Kind gehörte das für mich dazu. Traditionen und Rituale, die kirchlich geprägt sind, habe ich ganz lange nicht hinterfragt.
Gleichzeitig habe ich aber auch etwas mitgenommen, was mich bis heute prägt: In der Kirche, in der Bibel, im Glauben dreht sich alles um das Wort. «Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott»: Ich bin damit aufgewachsen, dass Worte einen besonderen Zauber entwickeln können, dass sie eine Bedeutung haben können, die jenseits dessen liegt, was ich als Buchstaben vor mir sehe. Diese verborgene Bedeutung von Sprache aufzuspüren, habe ich letztlich zu meinem Beruf gemacht.
Elke ist die innere Verbindung mit Gott abhandengekommen. Dass ihr ausgerechnet die Worte des «Vaterunser» entfallen sind, diagnostiziert sie als «Gottdemenz». Eine Google-Recherche ergibt, dass – bis auf einen lustigen Eintrag auf reimfrei.de («Gott, Demenz ist überall») – der Begriff nur bei Ihnen auftaucht. Ein Tamar-Noort-Neologismus sozusagen. Oder haben wir da etwas übersehen?
Nein, ich war selbst überrascht, dass der Begriff nicht existiert! Auch das Phänomen selbst gibt es nicht, jedenfalls habe ich noch von niemandem gehört, der eine derart selektive Gedächtnisstörung entwickelt hat.
Für mich war es aber ein wichtiges Bild für einen fundamentalen Verlust. Ich wollte keinen philosophischen Roman schreiben, in dem die Protagonistin sich auf einer abstrakten Ebene mit ihrem Glauben auseinandersetzt. Unser Weltbild und das, was wir glauben, setzt sich doch in den meisten Fällen eher aus Erfahrungen zusammen: Was wir in unserer Kindheit erleben, wie andere Menschen mit uns umgehen, welche Geschichten wir hören. Mir ging es um die Verflechtung von Glauben und Alltag. Eine «Gottdemenz», die sich in Elkes Alltag zu den unpassendsten Zeiten bemerkbar macht, eignete sich dafür gut.