Im Gespräch

Rebekka Endler über ihr neues Buch "Witches, Bitches, It-Girls"

Bestsellerautorin Rebekka Endler wagt sich an die große Frage nach den Ursachen des Patriarchats.

Rebekka Endler über ihr neues Buch

Warum auf den Märchenprinzen warten, wenn du selbst die Heldin deiner Geschichte sein kannst?
In “Witches, Bitches, It-Girls” geht Bestsellerautorin Rebekka Endler den Ursachen des Patriarchats auf den Grund und untersucht misogyne Mythen, die bis heute unser Denken und Handeln bestimmen.
 

In deinem ersten Buch, „Das Patriarchat der Dinge“, ging es Dir um unsere Umwelt, die Gegenstände unseres Alltags, die fast alle männlich designt und für Frauen oft unpraktisch bis ungeeignet sind. Was ist Dein Hauptanliegen in „Witches, Bitches, It-Girls“, Deinem zweiten Buch über die Wirkmacht des Patriarchats?

In dem ersten Buch ging es darum zu zeigen, dass die Welt und unser Alltag patriarchal gestaltet ist. Am Ende stand bei Veranstaltungen immer wieder die Frage im Raum: Aber warum ist das so? Gewissermaßen ist Witches, Bitches, It-Girls die Antwort darauf. Ich wollte herausfinden, wer die Urheber des Patriarchats sind und aus welchen Zutaten die Geschichten, die Mythen und Narrative sind, die uns prägen und die zur Zeit mal wieder Hochkonjunktur haben.  

Was haben die drei im Titel genannten Frauenbilder mit dem Patriarchat zu tun?

Die Witches, die Bitches und die It-Girls sind drei von vielen patriarchalen Stereotypen, also Schubladen, in die weiblich gelesene Personen zu verschiedenen Zeiten der Geschichte gedrängt wurden, um sie zu stigmatisieren und an den Rand der Gesellschaft zu drängen. Die Witch, also die "Hexe", besaß in der frühen Neuzeit vermeintliches Wissen, oder eine Unabhängigkeit, die den Obrigkeiten, oder schlicht ihren Nachbar*innen in Dorn im Auge war. Die Bitch ist eine "Schlampe", sprich eine Frau mit einer selbstbestimmten Sexualität, die sich vom Korsett der Wertvorstellungen darüber, wie Weiblichkeit performt werden muss, um gesellschaftlich akzeptiert zu werden, frei gemacht hat und Lust als Teil ihrer Persönlichkeit genießt. Der Begriff der "It-Girls" wurde in den späten 90ern und frühen 2000ers genutzt, um junge Frauen, die in der Öffentlichkeit standen lächerlich zu machen, da sie zwar einerseits "It" waren, dieses "It" jedoch komplett trivial und vulgär gefunden wurde, weswegen es okay zu sein schien sie zu verachten und ihren finanziellen Erfolg, ihrem Glamour und ihren Unterhaltungswert nicht als Leistung anzuerkennen. Alle drei Begriffe eint, dass sie Formen von Weiblichkeit verkörpert haben, die unerwünscht sind und waren. Gleichzeitig haben alle drei im Laufe der Zeit eine Wandlung vollzogen, indem sich weiblich gelesene Personen diese Bezeichnungen angeeignet haben und auf diese Weise das patriarchale Storytelling der Stigmatisierung verändert haben.

Das Besondere an Deinen Büchern ist der Humor, die Selbstironie und die Ehrlichkeit, mit der Du dich selbst und auch den Feminismus unter die Lupe nimmst. Auch in Deinem gemeinsam mit Annika Brockschmidt geführten Podcast Feminist Shelf Control wird viel gelacht. Welche Rolle spielt Humor in Deinem Leben?

Als ich angefangen habe mich mit dem Patriarchat zu beschäftigen und es zu kritisieren, hat es am meisten Sinn gemacht, bei mir selbst anzufangen, da es nunmal das System ist, in dem ich sozialisiert wurde. Meine Hoffnung ist, dass, indem ich mich bemühe, ehrlich und selbstkritisch zu sein und offen mit meiner eigenen Fehlbarkeit umzugehen, auch andere eingeladen sind, dies zu tun. Annika und ich versuchen das im Podcast seit ein paar Jahren gemeinsam und es funktioniert deswegen so gut, weil wir uns gegenseitig zumuten, kompliziert und komplett unperfekt zu sein, ohne dass die andere ihre Nase rümpft. Humor ist häufig ein Nebenprodukt davon und auch unsere Bewältigungsstrategie für viele dieser Themen. Wenn wir darüber lachen können, hat das die gleiche Wirkung wie die Leberwurst, die man um die bittere Pille für den Hund macht: Der Wirkstoff ist trotzdem intus.

 

In den drei Jahren der Entstehung von „Witches, Bitches, It-Girls“ hat sich die Welt dramatisch verändert. Welche Hoffnung verbindest Du mit Deinem Buch?

Das stimmt! Als ich anfing zu recherchieren, war mir nicht klar, dass ich ein Buch über Feminismus und Faschismus schreiben würde. Das gewaltvolle Beharren auf eine rigide Geschlechterbinarität (also auf "Frau" und "Mann" als eindeutige, sich nicht überlappende Kategorien) ist ein Werkzeug von Macht und Dominanz und ein jahrhunderte andauernder patriarchaler Prozess. In den letzten Jahren wurde dieser allerdings wie auf Steroiden beschleunigt mit dem Ziel, in die Mitte der Gesellschaft durchzudringen. Dankbarerweise gibt es viele Menschen, die das genauso sehen und so gegeben sich überall auf der Welt antifaschistische Bewegungen in den aktiven Widerstand, in dessen Zentrum eine Klassen- und Geschlechter-Solidarität steht. Meine Hoffnung ist natürlich, dass mein Buch einen Beitrag leisten kann, diesen Prozess verständlich zu machen und vielleicht sogar zu Möglichkeiten des Widerstands inspiriert. Denn, so schließt sich der Kreis, da fängt man am Besten immer bei sich selbst an.

Andrew Collberg
© Andrew Collberg
Rebekka Endler

Rebekka Endler arbeitet als freie Autorin, Journalistin und Podcasterin. 2021 erschien ihr erstes Buch, Das Patriarchat der Dinge. Warum die Welt Frauen nicht passt .

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