4 Fragen an Jennifer Weist zu ihrem Memoir "Nackt"
Ein lebensnahes Memoir über Mut und Widerstand.

Wer waren für dich auf deinem Lebensweg die inspirierendsten Vorbilder oder Figuren, die dich motiviert haben, klassische Rollenbilder zu hinterfragen und deinen eigenen Weg zu gehen?
Meine Mutter und meine Großeltern haben mich immer dazu ermutigt meinen eigenen Weg zu gehen und mich bei allen meinen Entscheidungen unterstützt. Meine feministische Prägung, also das Hinterfragen von gesellschaftlichen Normen und klassischen Geschlechterrollen, kommt jedoch eher von all den großartigen Frauen in meinem Umfeld, die ich meine Freundinnen nennen darf.
In welchem Maße siehst du Wut als Antrieb und wie spiegelt sich das in deiner künstlerischen Arbeit und deinem Buch wider?
Wut hat eine enorme transformative Kraft, sie hilft mir im Kampf gegen patriarchale Strukturen, Diskriminierung und Machtgefälle - Themen die ich immer wieder in meiner Kunst thematisiere. Und gerade weil die Wut von Frauen immer wieder als unangemessen oder übertrieben wahrgenommen wird, sind wütende Frauen für mich ein Symbol für Selbstbestimmung, Selbstermächtigung, Mut und Widerstand.


Nackt
Nackt
Kannst du eine spezifische Situation beschreiben, der du als Frau in der weitgehend männlich dominierten Musikbranche begegnet bist? Und wie hast du es geschafft, dir Anerkennung und Respekt zu verschaffen?
Ich habe in der Musikbranche alles erlebt, was Frauen in egal welcher Branche erleben. Ich habe sexuelle Übergriffe und Machtmissbrauch erlebt, ich habe Jobs nicht bekommen weil ich eine Frau bin, ich habe weniger Geld bekommen als meine männlichen Kollegen, Menschen haben mich unterschätzt und mir keinen Respekt entgegen gebracht. Und diese strukturelle Diskriminierung können wir nur bekämpfen, indem wir das Patriarchat zerschlagen.
Welchen Einfluss hat das Schreiben dieses Buches auf dein Verständnis deiner eigenen Lebensgeschichte gehabt? Hast du konkrete Erkenntnisse über dich selbst während des Schreibprozesses gewonnen, die du vorher nicht hattest?
Ich habe erst durch das Schreiben des Buches realisiert, dass sich Sexismus, Misogynie und sexualisierte Gewalt wie ein roter Faden durch mein ganzes Leben ziehen. Ich bin jedoch sehr dankbar dafür, dass ich durch das Schreiben meines Buches auch die damit verbundenen schlechten Gefühle, wie Angst, Schuld und Scham überwinden konnte, die teils traumatischen Erlebnisse aus meiner Kindheit mit sich brachten. Das Buch zu schreiben war das anstrengenste, aber zugleich auch heilsamste was ich je gemacht habe.