Tief in den Wäldern von Schweden endet Bullerbü …: Vera Buck im Gespräch über ihren neuen Thriller «Das Baumhaus»
Dieses Bullerbü ist nur ein vermeintliches Paradies. In Wahrheit ist es Wildnis. Es ist ein gefährlicher Ort.

«Bullerbü gibt es nicht» – so steht es in Ihrem neuen Thriller Das Baumhaus. Rächen Sie sich an Astrid Lindgren für das ewig Hyggelige, das in Deutschland so beliebt ist?
Ganz im Gegenteil! Ich nehme darin unsere Liebe für Astrid Lindgren aufs Korn, aber ich bin ja Ronja Räubertochter und Bullerbü als Kind selbst verfallen und liebe Lindgrens Geschichten immer noch. Mit sieben Jahren habe ich einen Zeitungsartikel über Lindgren an meine Wand über den Schreibtisch gehängt, sie war damals so etwas wie mein erstes Autorenvorbild. Den Artikel habe ich übrigens noch. Ich bewahre ihn zusammen mit den Geschichten auf, die ich als Kind geschrieben habe.
Das Baumhaus ist zugleich ein skandinavischer Krimi, das Psychogramm einer Ehe und eine Schauergeschichte – wie würden Sie Ihren Thriller beschreiben?
Ich würde sagen, es ist ein typischer Vera-Buck-Thriller: düster, psychologisch, atmosphärisch und mit Figuren, die man einfach ins Herz schließt. Ob es wirklich ein skandinavischer Krimi ist? Ich bin keine skandinavische Autorin und würde nicht so weit gehen, das zu behaupten. Der Thriller will etwas anderes. Wir betreten das alte Ferienhaus in Västernorrland zusammen mit einer deutschen Familie und ihrer Sicht auf die heile Bullerbü-Welt, für die sie Schweden hält.
Henrik, Nora und Fynn reisen nach Västernorrland in eine Ferienhütte, was erwartet sie dort?
Es erwarten sie zunächst einmal das, was sie sich von einem Schwedenurlaub erhoffen: lange Sommerabende, Zimtschnecken und sehr viel Ruhe und Natur. Das Haus hat einen eigenen See und liegt sehr abgeschieden, direkt an einem riesigen Wald, in dem Teile von Astrid Lindgrens Ronja Räubertochter gedreht wurden. Aber natürlich wäre es kein Thriller, wenn diese Idylle nicht sehr schnell ins Gegenteil kippen würde. Oder um es mit Henriks Worten zu sagen: Ein Wald und ein See, das sind Brutstätten für Ungeheuer und Ängste aller Art.
Sie haben mit Rosa Lundqvist eine ungewöhnliche Ermittlerin gefunden. Wer ist sie?
Rosa ist meine Lieblingsfigur in diesem Thriller. Sie interessiert sich für Totes und Verwesendes – und das schon seit ihrer frühesten Kindheit. Für ein blondes Bullerbü-Kind, das in einer idyllischen kleinen Nachbarschaft aufwächst, ist das natürlich ein Problem. Rosa hat kein Talent im Umgang mit den Lebenden, dafür aber ein besonderes Gespür für den Tod: Anhand der Bäume kann sie ablesen, wo Kadaver begraben liegen. Inzwischen ist sie promovierte Forensikerin und betreibt heimlich Studien im Wald von Västernorrland – wo sie eines Nachts auf die verwesten Überreste von etwas stößt, das eindeutig kein Tier ist.
Kinder verschwinden, Skelette tauchen auf, jeder scheint ein Geheimnis zu haben. Die Verrätselung steigert sich im Laufe des Thrillers, und doch behalten Sie alle Fäden in der Hand – wie entwickeln Sie Ihre Geschichten?
Ich plotte sehr lange, bevor ich mit dem eigentlichen Schreiben beginne. Und dabei ist die Erfindung dieser komplexen Rätsel ehrlich gesagt weniger eine Herausforderung als vielmehr der Spaß an dem Ganzen.
Die Raben Odins, Hugin, Mugin, die Weltesche Yggdrasil, der labyrinthische schwedische Wald – wie sehr haben Sie sich für Das Baumhaus von nordischen Sagen inspirieren lassen?
Von einer Region, die so voller Geschichten steckt, kann man gar nicht anders als inspiriert sein. Das Geschichtenerzählen dort reicht ja viel weiter zurück als nur bis zu Astrid Lindgren. Und viele dieser Sagen und Märchen sind an sich so düster, dass sie sich hervorragend für einen Thriller eignen. Insbesondere für einen, in dem einer der Hauptfiguren selber Kinderbuchautor ist.

