DAS VERWORFENE KAPITEL
Till taucht in der Geschichte seiner Schule erst spät auf, lange nach den Jahrhunderten, in denen am Marianum nur adelige Schüler aufgenommen wurden, nach dem Abzug der Jesuiten, der Öffnung für Bürger, dem Fin de Siècle, das in Wien als letzter Höhepunkt gewertet wird, nach der Zeit des Austrofaschismus, in der die Schule besondere Protektion genoss, nach der NAPOLA, die zwischen 1938 und 1945 dort angesiedelt war, und der Wiedereröffnung als Realgymnasium Mitte der 1950er, nach den nur langsam in Bewegung kommenden 1960ern, nach den 1970er-Jahren, als der amtierende sozialistische Bürgermeister der Stadt seine Söhne jeden Tag in einem weißen Daimler Sovereign 4.2 hier abholte, nach den 1980ern, in denen die Schülerzahlen rückläufig waren, nach den behutsamen Modernisierungsversuchen, die in Wahrheit vor allem Versuche waren, mehr Schulgeld zu lukrieren, nach der Aufnahme von Schülerinnen und Lehrerinnen zum Ende des Jahrhunderts und der sukzessiven Öffnung für neue Schichten. Und so wie Till die ersten 256 Jahre seiner Schule verpasst hat, taucht er auch in der Geschichte von Age of Empires 2 erst spät auf.
Um die Jahrtausendwende hatte es schon riesige AOE2-Turniere gegeben. Im Jahr 2001, während Till noch im Bauch seiner Mutter schwamm, flog man fünfzehn junge Männer und eine junge Frau, die sich über mehrere Ausscheidungen dafür qualifiziert hatten, ins Microsoft-Hauptquartier nach Redmond, im Bundesstaat Washington, und ließ sie dort knapp 100 000 Dollar gegeneinander antreten. Bis 2002 war AOE2, neben anderen Klassikern wie Fifa, Counter-Strike oder Starcraft, Teil der prestigeträchtigen World Cyber Games, einem Versuch, die Funktionsweise der Olympischen Spiele auf E-Sports zu übertragen und an jährlich wechselnden Austragungsorten hoch dotierte internationale LAN-Turniere zu veranstalten.
Sieht man sich heute Matches der besten Spieler dieser Epoche an, des Japaners Halen oder der Südkoreaner Grunt und Arch Koven, geht es einem so, als sähe man Skirennen aus den 1950ern, als die Skier noch selbst gebastelt waren und Fahrer nach Stürzen aufstanden, bis zur nächsten Stange hinaufliefen und trotz ihres Sturzes noch Chancen auf den Sieg hatten.
Die Voraussetzungen damals waren andere und Zeitverzögerungen zwischen zwei und sechs Sekunden bei Online-Matches normal. An ein Micromanagement einzelner Einheiten, wie es heute schon auf Amateurniveau verbreitet ist, war nicht zu denken. Man konnte keinen Eber anlocken, ohne vorher das Upgrade zu entwickeln, das die Dorfbewohner widerstandsfähiger macht und mit dem man aus Effizienzgründen eigentlich bis zum Ende der Steinzeit warten sollte. Man kannte die direkten Konter, Plänkler gegen Bogenschützen, Speerträger gegen Berittene Späher, Berittene Späher gegen Plänkler, aber es war noch nicht selbstverständlich, dass Mönche mit ihren Bekehrungen ein valider Konter gegen Ritter oder Belagerungsrammen der Konter gegen Bogenschützen sein könnten, nicht weil sie gegnerischen Einheiten den Tod bringen, sondern sie ineffizent machen würden.
Als Microsoft im Jahr 2003 Age of Mythology herausbrachte, fielen die Preisgelder für AOE2 deutlich ab. Pro-Spieler wie Grunt und Arch Koven wechselten, gleichzeitig rückte eine neue Generation von AOE2-Pros in den Fokus der Öffentlichkeit, diejenigen nämlich, die 2001 und 2002 noch nicht volljährig gewesen waren und deshalb nicht an den Turnieren der goldenen Zeit hatten teilnehmen können. Ein 16-jähriger Serbe namens Daut und ein 14-jähriger Kanadier namens Chris wurden die Stars der Ära und gewannen fast alle spärlicher werdenden Turniere, die von einem kasachischen Mäzen namens Arbalet gesponsert wurden.
Im Jahr 2007 erschien schließlich Age of Empires 3, der, so schien es damals, letzte Nagel im Sarg seines Vorgängers. Es ändert sich etwas in Menschen, die ein Produkt mit einer Zahl darauf besitzen, wenn ein Produkt herauskommt, dessen Zahl um eins höher ist. Noch dazu war AOE3 das, was man einen vorprogrammierten Hit nennt, also ein Produkt, das erfolgreich sein musste, weil vorab schon so viele Ressourcen investiert worden waren.
Amerikaner sind es gewohnt, in Computerspielen ihre eigene Lebensrealität abgebildet zu finden. Wenn sie bei GTA einen Polizisten erschießen, dann trägt dieser Polizist die gleiche Uniform wie jene, die sie auf dem Weg zum Supermarkt sehen. In Age of Empires 2 hingegen, das von der Steinzeit bis zur Erfindung des Schießpulvers reicht, kamen die USA nicht vor. Dieses Manko sollte Age of Empires 3 beheben. Mit einer 3-D-Grafik ausgestattet, die man damals als zeitgemäß empfand, ließ es Spieler dort weitermachen, wo AOE2 aufgehört hatte, nämlich am Beginn der Neuzeit, machte endlich auch Nordamerika zum Schauplatz, in der Annahme, so seinen rechtmäßigen Platz in der Welt der Realtime-Strategiespiele einzunehmen.
Viele der ehemaligen AOE2-Ikonen wechselten zum Nachfolger. Grunt, der Koreaner, der das erste AOE2-Turnier im Jahr 2001 gewonnen hatte, wurde auch Sieger des ersten, mit 20 000 Dollar dotierten AOE3-Turniers.
Währenddessen spielten Daut und Chris für ein paar Hundert Dollar AOE2 auf einem Niveau, das es noch nie gegeben hatte, sie begannen, alles infrage zu stellen, was bis dahin gegolten hatte. Daut wählte erstmals die Mongolen und zeigte, dass man mit ihnen ebenso erfolgreich sein kann wie mit den Hunnen, die seit 2001 fast exklusiv gespielt worden waren. Ein Spieler mit dem Usernamen Mozart erfand die Strategie des Drush Fast Castle, die noch immer zu den bekanntesten und erfolgreichsten gehört, und machte als Erster die Azteken salonfähig, deren Stärken heute so offensichtlich erscheinen, dass man sich kaum mehr erklären kann, warum sie so lange unbemerkt geblieben waren.
Mit der Zeit stellte sich heraus, dass Age of Empires 3 die großen Fußstapfen seines Vorgängers nicht ausfüllen konnte, und so blieben außergewöhnlich viele Spieler dem zweiten Teil treu, kamen wieder, ließen ihn über seinen Nachfolger hinaus weiterleben, legten den Grundstein dafür, dass man bis heute mit Age of Empires nie den ersten und nie den dritten Teil meint, sondern immer Age of Empires 2.
Wenn Daut oder Chris Geld brauchten, versuchten sie hin und wieder ihr Glück in einem Turnier eines anderen Strategiespiels, das zu gewinnen weniger Prestigegewinn bedeutete als jedes beliebige AOE2-Match, weil das Niveau dort bei Weitem nicht so hoch war, wie die Preissummen es vermuten ließen. Im Jahr 2007 wurde Daut Zweiter bei einem Turnier des längst in Vergessenheit geratenen Rise of Nations: Rise of Legends und erhielt dafür 12 000 Dollar und damit mehr als in sechs Jahren als bester AOE2-Spieler der Welt. Der Gewinner, der 40 000 Dollar erhielt, war ein alter Bekannter, Grunt aus Korea.
Ende der Nullerjahre begann die Phase privater Sponsoren. Ein anonym bleibender Saudi gründete ein Team namens Tyrant, warb die besten Spieler ab und zahlte ihnen vor Turnieren kleine Gehälter aus, damit sie sich von ihren Brotjobs freinehmen und trainieren konnten. Dennoch war AOE2 noch immer im Schrumpfen begriffen. Chris, der Kanadier, zog sich zurück, und irgendwann stand auch Daut, der 2004 die Schule geschmissen hatte, um sie 2008 als Abendschule doch noch abzuschließen, vor der Entscheidung, als Pro-Gamer zu leben oder weiter Age of Empires 2 zu spielen. Er trainierte mehrere Monate Starcraft, erreichte tatsächlich die europäischen Top 5, kehrte dann aber wieder zu AOE2 zurück, als publik wurde, dass es eine Neuauflage des Spiels in HD-Qualität geben werde, und, noch viel wichtiger, dass die neue Version über ein Userpatch verfügen werde und Fans selbst am Spiel mitschreiben, Fehler beheben, ja es in jeder Hinsicht bearbeiten könnten.
Die kreative Explosion, die darauf folgte, ist bis heute erstaunlich, insbesondere weil die notwendige Arbeit freiwillig und unbezahlt geleistet wurde. Es wurden Geburtsfehler behoben, die schon seit 2001 alle Spieler genervt hatten, ein neues, fanbetriebenes Portal wurde gegründet, das es möglich machte, sich auf einer Rangliste nach oben zu spielen. Alle Boni der Zivilisationen wurden evaluiert, diejenigen, die allzu überlegen erschienen, wurden nach unten, diejenigen, die zu schwach erschienen, nach oben korrigiert, und über die Jahre wurden diese Buffs und Balances zu so etwas wie der Verfassung von AOE2, einem komplexen Gebilde, dessen Einzelteile zueinander in mehr als einem Verhältnis stehen und das sich ständig weiterentwickelt.
2012 veröffentlichten Fans etwas, wovon man lange nicht zu träumen gewagt hatte: eine neue Erweiterung, die erste seit elf Jahren, mit fünf zusätzlichen Zivilisationen, darunter mit den Inkas erstmals einer aus Südamerika, und schon im Jahr 2014 übernahm Microsoft die Erweiterung offiziell und zahlte den Usern, die sie entwickelt hatten, Geld dafür, sich zu professionalisieren und ein Studio namens Forgotten Empires zu gründen. 2015 und 2016 folgten die nächsten offiziellen Erweiterungen mit Zivilisationen aus Afrika und Südostasien.
Die Zahl der aktiven Spieler stieg, die Online-Community wuchs und begann, sich in unterschiedliche Richtungen zu entwickeln: Die einen spielten ranked und etablierten AOE2 erneut als legitimen E-Sport, die anderen verbrachten ihre Tage im Custom Scenario Editor und schrieben dort die lächerlichsten und unglaublichsten Mods.
Auf den ersten Blick hatten beide Welten nicht viel gemein, nicht mehr als ein Konzertpianist und jemand, der experimentelle Orgeln baut. Doch es war ausgerechnet der Custom Scenario Editor, der die Zukunft der Pro-Szene am meisten beeinflussen würde. Fans hatten eine Version des Spiels programmiert, die Gebäude und Einheiten von Der Herr der Ringe zitierte, und ausgerechnet dieser Herr-der-Ringe-Mod brachte einen jungen Mann zurück zu AOE2, der selbst so etwas wie der Aragorn dieser Welt war, der Golden Boy, der Auserwählte, derjenige, dem es in die Wiege gelegt worden war, eines Tages auf dem Thron von Age of Empires 2 zu sitzen, und der sich genau deshalb dagegen sträubte: TheViper.
TheViper, der eigentlich Ørjan heißt, wurde 1991 in Tromsø, Norwegen, als Sohn des Gründers des wichtigsten AOE2-Forums geboren. Schon als Elfjähriger hatte er auf dem PC seines Vaters online gespielt und erwachsene Männer so vernichtend geschlagen, dass sie ihm nach dem Spiel ungläubig schrieben, und wenn er ihnen antwortete und sie begriffen, wie jung er war, mischte sich bei seinen Gegnern Entsetzen mit Ungläubigkeit.
Als TheViper ins Teenageralter kam und der Stern von AOE2 zu sinken schien, wandte er sich anderen Hobbys zu. Er spielte Fußball, spielte Starcraft, wurde ein großer Herr-der-Ringe-Fan und hätte sich, als er mit 19 über den Umweg des Herr-der-Ringe-Mods wieder zu AOE2 zurückkehrte und seine ersten 1v1-Matches bestritt, nicht vorstellen können, wie wichtig das Spiel für ihn und wie wichtig er für das Spiel werden sollte.
Heute, im Jahr 2018, ist er seit über fünf Jahren der Beste der Welt, Sieger in 27 von 28 Turnieren, der Michael Jordan, der Marcel Hirscher seines Sports, die Fusion aus Federer, Djoković und Nadal. Derjenige, an dem sich die anderen zu messen haben.
Ähnlich wie beim Tennis, das von allen Sportarten AOE2 am meisten ähnelt, sind auch hier die Top 100 bekannt, die Top 20 berühmt und die Top 5 eine Klasse für sich. Ihre Verteilung über eine Handvoll Länder folgt keinem offensichtlichen Muster. Es gibt in den Top 20 unter anderem einen Serben, einen Spanier und zwei Finnen, drei Brasilianer, einen Kanadier mit mexikanischen Wurzeln, zwei Vietnamesen, drei Chinesen und zwei Norweger.
Neben den verschiedenen Nationalitäten sind auch verschiedene Generationen vertreten. Daut, der Serbe, zählt zu den Ältesten, den über 30-Jährigen, zur Generation der Boomer, deren Spitzname sich nicht nur auf ihr Alter bezieht, sondern auch auf ihre Spielweise, denn sie sind dafür bekannt, dem wirtschaftlichen Boom mehr Aufmerksamkeit zu schenken als dem Micromanagement ihrer Armeen.
Die meisten anderen herausragenden Spieler sind Mitte 20, also in etwa gleich alt wie TheViper, und genießen in ihren Ländern, ihren Sprachgebieten und überall sonst, wo man sich für AOE2 interessiert, Legendenstatus. Der Chinese Mr. Yo ist einer von ihnen, gefürchtet für sein Können mit den Maya und den Azteken. Oder der Spanier Tatoh, einer der größten Strategen des Spiels. Oder der Brasilianer Riut, der vor TheVipers absoluter Dominanz selbst kurze Zeit als Nummer 1 der Welt galt.
Noch heller als ihr Stern strahlt allerdings jener der jungen Wilden, denn so gut Mr. Yo, Tatoh und Riut auch sind, es geht ihnen wie Stephan Eberharter, solange Hermann Maier am Leben ist: Sie können für sich in Anspruch nehmen, jeden anderen zu schlagen, aber müssen dennoch akzeptieren, immer von TheViper geschlagen zu werden.
Das ist bei den jüngsten drei aus den Top 20 anders. Wie gut sie in Zukunft sein werden, steht noch nicht fest, und deshalb sind der Phantasie ihrer Fans diesbezüglich keine Grenzen gesetzt. Die drei Teenager mit den Usernamen MvB, Tiiiko und Beta verkörpern ein ganz anderes Verständnis von AOE2. Ihr Spiel will keinen Boom, keine wirtschaftliche Überlegenheit aufbauen, die Verluste verkraftbar macht, nicht macro, sondern pure Aggression, pure Geschwindigkeit und Kontrolle über die einzelnen Kampfeinheiten, in Computerspielen micro genannt.
Außerdem war es einer von ihnen, der 2017, vor genau einem Jahr, den einzigen Turniersieg unter Wettkampfbedingungen gegen TheViper feiern konnte.
Micro ist wie das Dribbeln im Fußball: verschrien, weil es nicht nur bisweilen nichts bringt, sondern von den anderen Aspekten des Spiels ablenkt, insbesondere vom Aufbau der Wirtschaft, bewundert, weil es unglaubliche technische Finesse erfordert. Ältere Spieler wie Daut schimpfen nicht selten über die Microlastigkeit der letzten Jahre, halb, weil sie mit ihrem APM dabei nicht mithalten können, und halb, weil sie der Ansicht sind, die Jungen spielten nur für die Galerie. Ein gelungenes Micromanöver aber öffnet, ebenso wie ein gutes Dribbling, einen Raum, von dessen Existenz man sonst nicht gewusst hätte, und bietet eine Gelegenheit, die Verteidigungslinien des Gegners zu brechen. Beides gleichzeitig zu beherrschen, wie TheViper es kann, also einerseits jede kleine Armee in jedem Moment des Spiels bestmöglich zu kontrollieren und gleichzeitig im Hintergrund die Wirtschaft fehlerfrei zu steuern, ist die große Kunst von AOE2, von deren Erlernen der zukünftige Erfolg der Jungen abhängen wird.
Ihre Fans sehen in allen drei Jungen das Potenzial, irgendwann die Nummer 1 der Welt zu werden. MvB, ein cholerischer Norweger, der mit seinen zwanzig Jahren der Älteste der drei ist, bietet sich aufgrund seiner Nationalität als Nachfolger von TheViper an. Zudem besitzt er eine unglaubliche Widerstandskraft, um sich aus schwierigen Situationen zurückzukämpfen, was ihm den Spitznamen The Cockroach of AOE einbrachte. Beta ist ein sehr freundlicher 18-jähriger Kanadier mit mexikanischem Vater, der beim Sprechen nuschelt und dessen Username sich von seinem Nachnamen Betancourt ableitet, ebenso wie der von MvB, der eigentlich Matt van Bergen heißt.
Über den dritten der Jungen, Tiiiko, weiß man fast nichts.
Normalerweise sind es vor allem Spieler aus China und Vietnam, über die außerhalb ihrer Länder wenig bekannt ist. Sie können die hohen Reisekosten nicht stemmen, erhalten nur schwer Visa, lernen deshalb die Europäer und Amerikaner nie kennen, und ihr Englisch ist in der Regel zu schlecht, um viel von sich preisgeben zu können. Jibatong, einer der besten vietnamesischen Pros, änderte zum Beispiel irgendwann seinen Usernamen von Jibatong zu Misstong, woraufhin ein Streamer, der seine Spiele übertrug, mehrmals von Zuschauern gefragt wurde, ob hinter dem Pseudonym Misstong eine weibliche Spielerin stecke. Als er Jibatong dazu befragte, antwortete der:
bc my wife say she miss me
when i play aoe
she miss tong
Aber Tiiiko, der vor einem Jahr TheViper besiegte, ist nicht aus China und nicht aus Vietnam. Er kommt auch nicht aus Lateinamerika, wie man anfangs gedacht hatte, weil er eine peruanische Flagge im Profil trug.
Als er 2017 das Finale von Emperor of Arabia gegen TheViper erreicht hatte, war die Verwirrung in der Community enorm. Noch nie hatte ein Spieler so schnell die Top 100 und dann so schnell die Top 10 erreicht, geschweige denn das Finale eines Turniers. Deshalb dachten viele, es müsse sich um den Zweitaccount eines anderen Spielers handeln, und dass niemand in Peru diesen Tiiiko kannte, machte die Sache nur noch mysteriöser.
Nach seinem unerwarteten Turniersieg begannen die Nachforschungen. Schnell fand man heraus, dass weder die Nationalität noch das Alter, das er in seinem Profil angegeben hatte, stimmten, dass es sich nicht um einen 17-jährigen Peruaner handelte, sondern um einen 15-Jährigen aus einem kleinen europäischen Land, dessen Flagge so aussieht, als hätte sich die peruanische schlafen gelegt.
Viel mehr hat man bis heute nicht herausfinden können. Man weiß, dass Tiiiko selten online ist, untertags maximal eine halbe Stunde, und erst, wenn die Europäer langsam ins Bett gehen und die Spieler aus Latein- und Nordamerika in den Lobbys auftauchen, drei oder vier Stunden spielt, lächerlich wenig für einen Pro. Man weiß, dass er oft von einem Moment auf den anderen offline geht, immer wieder Partien aufgibt, bei denen er klar im Vorteil war, aber man kennt die Gründe dafür nicht. Und obwohl die Verbindung zwischen seinem Usernamen und seinem echten Namen ebenso offensichtlich ist wie bei seinen Teamkollegen MvB und Beta, hat noch niemand herausgefunden, wie Tiiiko wirklich heißt oder wie er aussieht.
Am Morgen steht Till Kokorda, einer der besten Age-of-Empires-2-Spieler der ganzen Welt, um 7 Uhr 30 auf. Er geht die Schaumburggasse hinunter, ohne dass ihn ein einziger Mensch erkennen würde, und sieht schon von Weitem, dass das Schultor verschlossen und er schon wieder zu spät ist.