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Schlaf, Deutschland, schlaf!

Wer schlecht schläft, lebt gefährlich. Schlafmangel gilt als eine der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts. Warum ausreichend Schlaf so wichtig ist und getrennte Betten nicht nur Beziehungen, sondern Leben retten können, erklärt Schlafforscher Ingo Fietze in seinem Buch «Deutschland schläft schlecht». 5 alarmierende Fakten zu den Ursachen und Folgen fehlender Nachtruhe.

Deutschland schläft schlecht

Denkt Ingo Fietze an Deutschland in der Nacht, wird der Schlafforscher und Leiter des schlafmedizinischen Zentrums der Berliner Charité unruhig. «80 Prozent der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schlafen entweder zu kurz, nicht mehr gut oder schlecht», so der Mediziner. Tendenz steigend. Noch immer gilt für viele: Wer wenig schläft, ist besonders leistungsstark. Dabei ist Schlaf laut Fietze «ein potenzieller Verstärker der menschlichen Leistungskraft. Trotz hoher medialer Aufmerksamkeit und entsprechender Studien wird schlechter Schlaf als Risikofaktor für die eigene Gesundheit, den Arbeitsplatz und die Gesellschaft noch immer völlig unterschätzt.» Laut Weltgesundheitsorganisation gehört Schlafmangel sogar zu den größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts. 5 Fakten über ein gesellschaftliches Problem mit weitreichenden Folgen.

1. Tödlicher Schlafmangel

Bei Menschen mit regelmäßigen Schlafstörungen bekommt der Begriff «schlaftrunken» eine wortwörtliche Bedeutung. Der Schweizer Chronobiologe Christian Cajochen von der Universität Basel stellte fest: «Wer zehn Nächte hintereinander nur sechs Stunden schläft, befindet sich, was Leistungsvermögen, Reaktionsgeschwindigkeit, Gedächtnis und Urteilskraft angeht, in einem Zustand, als hätte er ein Promille Alkohol im Blut.» Eine der Konsequenzen: Jeder vierte Verkehrsunfall in Deutschland steht mit den Folgen von Schlafstörungen in Zusammenhang. Bei etwa 20 Prozent aller schweren Verkehrsunfälle spielt die Übermüdung des Fahrers oder der Fahrerin eine entscheidende Rolle. 2013 starben in Deutschland 3.636 Menschen bei müdigkeitsbedingten Verkehrsunfällen.


Auch im Berufsleben steigert Schlafmangel die Unfallgefahr. In Deutschland erhöhen Schlafprobleme das Risiko für einen Unfall am Arbeitsplatz um rund 63 Prozent. Insgesamt gehen durch die direkten und indirekten Kosten von Schlafstörungen, etwa durch Arztbesuche, Medikamente und Arbeitsfehltage, rund 1,56 Prozent des deutschen Bruttosozialprodukts, also 60 Milliarden Euro, verloren.

2. Atemlos durch die Nacht

Der Grund für die eigene Schlafstörung liegt nicht selten auf der Matratze nebenan. Rund 50 Prozent aller Männer in der erwachsenen, erwerbstätigen Bevölkerung schnarchen. Laut DAK-Gesundheitsreport 2017 leidet jede vierte Frau unter dem Schnarchen ihres Partners. Ein Lärmfaktor, der auf bis über 70 Dezibel ansteigen kann. Für einen ruhigen Schlaf sollte die Lautstärke bei unter 30 Dezibel liegen. Fietze sagt: «Oft hilft nur eines: getrennte Schlafzimmer, auch wenn sich viele davor scheuen. Als Schlafmediziner muss ich deutlich dazu raten.»


Während Frauen häufiger unter Insomnie, also Schlaflosigkeit, leiden, stockt Männern nachts öfter der Atem. Ein Hauptsymptom der sogenannten Schlafapnoe ist neben der Tagesmüdigkeit das Schnarchen. Laut einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2016 dürfen Menschen mit Verdacht auf Schlafapnoe aufgrund des erhöhten Unfallrisikos kein Fahrzeug mehr führen. Die Apnoe gehört zu den häufigsten Schlafstörungen.

3. Stress lass nach

Neben übermäßigem Konsum von Alkohol, Nikotin, Medikamenten, falscher Ernährung oder Bewegungsmangel ist Stress einer der Hauptauslöser für schlechten Schlaf. In einer Umfrage der Knappschaft Krankenkasse gaben 45 Prozent der Befragten als Grund für ihre Schlaflosigkeit «Gedanken an den nächsten Tag» an. 29 Prozent nannten «erlebten oder zu erwartenden Stress» als Ursache.


Eine Untersuchung des Think-Tanks RAND Corporation zeigte, welche Faktoren uns wie viel Schlaf kosten. Wer bei der Arbeit etwa unrealistischem Zeitdruck ausgesetzt ist, schläft pro Nacht acht Minuten weniger, 3,7 Minuten sind es bei fehlender Unterstützung durch den Vorgesetzten und 2,7 Minuten bei falscher Anleitung durch die Führungskraft. Fietze sagt: «Mein Appell an die Chefetagen: Gehen Sie an die Ursachen ran. Stress, Leistungsdruck, Arbeitsüberlastung und ständige Verfügbarkeit belasten die Beschäftigten. Müdigkeit und eingeschränkte Leistungsfähigkeit am Tag sind die Anzeichen für einen schlechten Schlaf, und die kann man mit einem geschulten Blick und mit Nähe zu seinen Mitarbeitern auch erkennen.»

4. Der Feind in meinem Bett

Nur noch eben kurz die E-Mails abrufen, ein paar Bilder auf Instagram anschauen und die WhatsApp-Nachrichten des Tages beantworten – wer das kurz vor dem Schlafengehen erledigt, erschwert sich das Einschlafen erheblich. Zum einen reagiert das Nervensystem auf die blauen Lichtwellen der technischen Geräte besonders sensibel, zum anderen verhindern die intensive und zumeist aufregende Beschäftigung mit den Inhalten sowie das Gefühl ständiger Erreichbarkeit einen entspannten Schlaf. Im Bett haben Smartphone, Laptop und Tablet nichts zu suchen. «Wenn Sie abends unbedingt noch E-Mails, SMS, WhatsApp oder was auch immer checken müssen, sollten Sie bitte mindestens 30, besser 60 Minuten vor dem Zubettgehen damit aufhören», empfiehlt der Schlafexperte.

5. Gesunde Gehirnwäsche

«Schlaf ist das einzig Effektive, was man tun kann, um das Gehirn zu resetten», erklärt Fietze. Vergegenwärtigt man sich das intensive Leben unserer Zeit, wird schnell deutlich, dass unser Gehirn viel mehr Informationen und Eindrücke verarbeiten muss, als noch die Menschen vor 500 Jahren. Um nützliche Informationen zu speichern, sich von unnützen zu trennen und Platz für neue Informationen zu schaffen, braucht das Gehirn zwischen den Wachphasen eine Pause. Im Schlaf regeneriert es sich, formiert das Nervennetzwerk und die Mikrostruktur neu. Ein Vorgang, der im glymphatischen System stattfindet, das in den Zwischenräumen des Gehirns liegt und für den Abtransport schädlichen oder überflüssigen Materials zuständig ist. Fietze sagt: «Wenn wir Schlaf als Biodoping und Waffe gegen die täglichen Herausforderungen erkennen, wird Schlaf wieder gesellschaftsfähig. Die Ansicht, erfolgreiche Menschen kämen mit wenig Schlaf aus, ist immer noch weit verbreitet und ebenso falsch wie verheerend.»

 

Wissenswertes über Schlaf

 

  • Wer länger als 5 Jahre zu kurz, schlecht oder kurz und schlecht schläft, hat nach heutigem Kenntnisstand eine geringere Lebenserwartung. Schlechter Schlaf lässt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Vorhofflimmern oder Schlaganfälle steigen, ebenso die Wahrscheinlichkeit für Diabetes oder Krebserkrankungen.
  • Dauert das Einschlafen länger als 30 Minuten, wird von einer Einschlafstörung gesprochen. Dauert das Wiedereinschlafen nach nächtlichem Erwachen länger als eine halbe Stunde, liegt eine Durchschlafstörung vor. Hält einer dieser Zustände länger als 3 Monate an und die Folgen sind auch tagsüber spürbar, wird von einer chronischen Schlafstörung gesprochen.
  • Wer an 10 Nächten hintereinander nur 6 Stunden schläft, befindet sich, was Leistungsvermögen, Reaktionsgeschwindigkeit, Gedächtnis und Urteilskraft angeht, in einem Zustand als hätte er oder sie 1 Promille Alkohol im Blut.
  • Arbeitende, die älter als 30 sind, pro Nacht 7 oder weniger Stunden schlafen und pro Woche 50 Stunden und mehr arbeiten, sind hauptsächlich von müdigkeitsbedingten Berufsunfällen betroffen.
  • Wer nur 6 bis 7 Stunden schläft, hat 3,7 Fehltage mehr pro Jahr als ein Ausgeschlafener. Auf Deutschland bezogen sind das jährlich 209.000 Arbeitstage oder 1,67 Millionen Arbeitsstunden.
  • 1 Stunde weniger als noch vor 100 Jahren und einige Stunden weniger als vor der Industrialisierung und vor der Entdeckung des elektrischen Lichts, schlafen die Menschen heute. Eine Entwicklung, die das menschliche Schlafmuster grundlegend änderte.
  • In 2 Phasen schliefen die Menschen vor der Industrialisierung, mit einer Wachphase von etwa 2 Stunden dazwischen. Eine Schlafpause, die etwa zum Holznachlegen oder für einen Plausch mit den Nachbarn genutzt wurde. Was heute als Schlafstörung gilt, war damals ganz normal.
  • Dass nur ein Schlafblock von 8 Stunden am Stück gesund ist, hat sich als Mythos erwiesen. Nicht auf das Schlafmuster kommt es an, sondern auf die benötigte Gesamtschlafdauer.
     

Deutschland schläft schlecht

Rund 80 Prozent aller deutschen Arbeitnehmer leiden an Schlafstörungen. Die Folgen für unsere Gesundheit sind alarmierend: Schlafmangel macht uns krankheitsanfällig, depressiv, dick und unkonzentriert. Der renommierte Spezialist für Schlafmedizin, Prof. Dr. Ingo Fietze, erklärt weshalb gesunder Schlaf ebenso wichtig ist wie gesunde Ernährung und Sport, warum dringend ein Bewusstsein dafür geschaffen werden muss, dass Schlafstörungen eine der großen bedrohlichen Volkskrankheiten unserer Zeit sind - und was Betroffene tun können.
Bereits erschienen unter dem Titel «Die übermüdete Gesellschaft »

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Worum geht es?


Schnarchen, nächtliche Atemaussetzer, Ein- oder Durchschlafstörung – die Gründe, warum Menschen zu kurz oder schlecht schlafen, sind vielfältig und haben teils ernste Folgen. In «Deutschland schläft schlecht» liefert Schlafforscher Ingo Fietze fachlich fundierte Informationen zum Thema Schlafstörungen, die alarmierend sind. Eine aufschlussreiche Lektüre, die zum Handeln anregt.

Warum ist es so lesenswert?


Der Schlafmediziner Ingo Fietze teilt nicht nur Wissenswertes rund um das Thema Schlaf, vielmehr gibt er Denkanstöße, die über individuelle Schlafstörungen hinausgehen. Er lenkt den Blick auf unsere Gesellschaft, die sogar den Schlaf optimieren und effizienter gestalten will. Sein Appell: Guter Schlaf muss den gleichen Stellenwert wie Sport und gesunde Ernährung haben.