Im Gespräch

Sven Stricker im Interview zu seiner Krimireihe um Kommissar Sörensen

Mit Kommissar Sörensen hat Sven Stricker eine unvergessliche Figur geschaffen. Der erste Band wurde von und mit Bjarne Mädel verfilmt, der über die Bücher sagt: «Mit Sörensen wird man gern nass, weil der Humor trocken bleibt. Spannend ist das alles auch noch.» Sven Stricker hat uns einige Fragen zu seinem Protagonisten beantwortet, erzählt von der Arbeit am Drehbuch für die Verfilmung und wie es mit Sörensen weitergeht.

Sven Stricker im Interview
© Magdalena Höfner

«Sörensen hat Angst» hat den Deutschen Fernsehkrimi-Preis und den Publikumspreis beim Deutschen Fernsehkrimi-Festival gewonnen. Neben dem «phantastischen Schauspielerensemble, komplexen Nebenfiguren, haarscharfen Dialogen und einer empathischen Kamera», lobte die Jury die «beeindruckende Schauspiel- und Regieleistung von Bjarne Mädel, das tragikomische und geniale Drehbuch von Sven Stricker» und ein «Stück unterhaltsame Fernsehgeschichte, das Spaß macht und uns Krimi fühlen lässt». Auch den österreichischen Fernsehpreis Romy habt ihr gewonnen. Was bedeuten dir diese Auszeichnungen, Sven?
Sehr viel, weil es mein erstes Drehbuch fürs Fernsehen war, war die Arbeit daran mit natürlichen Unsicherheiten verbunden. Kann ich das wirklich? Funktioniert die Mischung aus Tragik und Komik auch im Film? Mir kam es bestimmt zugute, dass ich in den letzten zwanzig Jahren schon etliche Romanbearbeitungen fürs Hörspiel gemacht habe, sodass ich mir in den Dialogen recht sicher war. Aber TV es ist eben trotzdem ein vollkommen anderes Medium mit anderen Ansprüchen. Ich bin wirklich sehr froh und dankbar, dass mir der NDR und unser Produzent Jakob Claussen die Chance gegeben haben, meinen Roman selbst umzuarbeiten. Und die Preise helfen natürlich, entspannter mit dem Ergebnis umzugehen.

Der NDR schreibt: «Der Autor Sven Stricker hat dem Schauspieler Bjarne Mädel die Krimis auf den Leib geschrieben.» Du wolltest aber zunächst ein Hörspiel für Bjarne schreiben …
Genau. Sörensen war zunächst eine Hörspielfigur. Bjarne hatte mir damals sehr dabei geholfen, einen Verlag für meinen Erstlingsroman «Schlecht aufgelegt» zu finden, und nachdem das mit Rowohlt geklappt hatte, hatte ich ihm gesagt, zum Dank erfinde ich meine nächste Figur für dich. Und das war eben Sörensen. Ich wollte eine Figur kreieren, die sehr vieles in sich vereint, tiefe Abgründe, große Melancholie, aber auch Galgenhumor im Umgang mit sich selbst und der Welt. Einen Menschenfreund, der regelmäßig an den Menschen und sich selbst verzweifelt, aber einfach nicht aufgibt. Wir haben schon 2014 das Hörspiel «Sörensen hat Angst» aufgenommen, danach blieb die Produktion erst mal liegen, weil wir zunächst nicht den richtigen Distributionskanal hatten. Also habe ich erst mal aus «Sörensen hat Angst» meinen zweiten Roman gemacht, immer mit der Stimme von Bjarne im Ohr, der die Figur da ja schon gespielt hatte. Das hat den Dialogen natürlich geholfen. Die Filmrechte am Roman wurden verkauft und ich konnte sagen, ich wüsste da schon den passenden, einzig denkbaren Hauptdarsteller. Und so kam eines zum anderen. Der Deutschlandfunk hat das bereits aufgenommene Hörspiel eingekauft, dazu haben wir zwei weitere Teile produziert. Mittlerweile sind es also drei Sörensen-Romane, drei Hörspiele und eben besagter Film.

Sitzt du schon am Drehbuch für die nächste Sörensen-Verfilmung?
Dazu kann ich im Moment nur sagen: Wir sind in Gesprächen. Es sieht gut aus, alle Signale stehen auf grün, aber es ist eben noch nicht eingetütet. Wenn ich aber darf, lege ich sofort los.

Außerdem führst du gerade fleißig Regie für diverse Hörbücher?
Ja, das mache ich schon sehr lange. Mein anderer Beruf ist ja Hörspielregisseur, also die Umsetzung einer komplett akustisch inszenierten Geschichte mit Schauspielensemble, Geräuschen und Musik. Und daneben führe ich auch gerne und oft Regie bei Hörbüchern, in denen meist nur ein Schauspieler einen Roman einliest und dabei interpretiert. Das ist für mich auch noch mal interessanter geworden, seitdem ich selbst schreibe. Ich lerne jedes Mal viel über Rhythmus, Aufbau und Diktion, alleine, weil wir uns im Studio so intensiv mit dem Text befassen dürfen. Man wird auf die Schwächen gestoßen, lernt aber auch vieles in positiver Hinsicht. Wie man Spannung erzeugt zum Beispiel. Oder wie man das Publikum an Protagonisten bindet.

Stimmt es, dass die Hörspiele Sörensen 1 & 2 zu den meistgeklickten in der ARD-Mediathek gehören?
Ja, das stimmt wohl. «Sörensen hat Angst» ist der mit großem Abstand meistgeklickte Deutschlandfunk-Beitrag in der ARD-Mediathek. Und «Sörensen fängt Feuer» läuft, glaube ich, genauso gut. Zahlen kann ich da nicht nennen, weil ich nicht weiß, ob es erlaubt ist, aber wenn es diese Anzahl an Buchverkäufen gäbe, wäre ich jetzt auf den Seychellen und käme nicht mehr zurück.

Was hat dich bewogen, über einen Protagonisten mit einer Angststörung zu schreiben?
Ich kenne mich in der Thematik aus und musste erfahren, dass das immer noch ein Tabu-Thema ist. Doch warum eigentlich? Statistisch gesehen leidet jeder sechste Deutsche im Laufe seines Lebens unter einer Angststörung, wer weiß, wie hoch die Dunkelzimmer ist. Es ist also eine Volkskrankheit, dazu noch eine sehr komplexe, die die Betroffenen arg in ihrem Selbstwertgefühl beschädigt. «Sörensen» ist der Versuch, über das Genre Krimi für das Thema zu interessieren, bestenfalls zu sensibilisieren. Klar zu machen, dass man unter einer seelischen Störung leiden und trotzdem ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft sein kann. Und Sörensen ist alles andere als eine Verlierer-Figur. Er leidet unter seiner Angst, aber er behält den Kopf oben. Ohne vermessen sein zu wollen, könnte das für Betroffene als Vorbild dienen. Vielleicht ein bisschen Mut machen.

Wie funktioniert eine Angst-Störung?
Das ist zu unterschiedlich, um es allgemeingültig zu erklären. Angst ist ja an und für sich eine nützliche Funktion unseres Körpers. Ohne Angst würden wir von jeder Klippe springen, die uns nur faszinierend genug erscheint. Problematisch wird es, wenn wir die Angst nicht mehr kontrollieren können, sondern die Angst uns kontrolliert. Wenn sie die komplette Regie übernimmt. Das wirkt sich oft auf den ganzen Körper aus, man wird andauernd krank, ist erschöpft, traut sich nichts mehr zu, Treppensteigen wird zum Problem, das Betreten eines Supermarkts, Reize überfluten uns, wir können sie nicht mehr filtern. Es ist eine komplette Übersensibilisierung, alles wird zu viel. Das Licht zu hell, die Stadt zu laut. Dazu der berühmte, eiskalte Balken auf der Brust, das Atmen wird schwer. Eine Spirale abwärts, bis der Alltag nicht mehr lebbar ist. Es gibt viele Symptome, unendlich viele Ausprägungen.

Im neuen Band «Sörensen am Ende der Welt» gerät der Kommissar einer Gruppe von «Preppern» auf die Spur, also Menschen, die sich wahnhaft auf den Weltuntergang vorbereiten …
Das schließt an meinen letzten Satz an: Es gibt unendlich viele Ausprägungen und Abstufungen von Angst. Auch Prepper haben in gewisser Hinsicht Angst. Angst vor Veränderung, Angst vor dem Ende des Systems, in dem sie leben, Angst vor Überfremdung, Angst davor, belogen und betrogen zu werden. Von «denen da oben». Das sind nicht unbedingt alles Reichsbürger oder Faschisten, das sind oft auch einfach Menschen, die sich in dem herkömmlichen Gesellschaftsgebilde nicht mehr zuhause fühlen und daher extrem reagieren, um sich zu schützen. Ich habe dafür wenig Sympathie, aber die Recherche für den Roman hat mir gezeigt, dass man es sich auch da wieder nicht zu einfach machen darf. Man kann nicht einfach eine Schublade aufmachen und sagen, das sind alles Spinner. Auch diese Leute werden von irgendwas getrieben, von einer inneren Not. Angst eben.

Wie geht es weiter mit Sörensen?
Ich beschäftige mich schon ein wenig mit dem vierten Teil, versuche, die Figuren interessant weiterzuerzählen und mich bei Sörensen und seiner Angst nicht zu sehr zu wiederholen. Ich stelle auch in jedem Roman eine Nebenfigur etwas mehr in den Fokus. Im vierten Teil wird es zum Beispiel um Polizeiobermeister Dhonau gehen, den man bislang noch kaum kennenlernen durfte. Wenn es mal mit Sörensen zu Ende geht, möchte ich ein möglichst komplexes Panoptikum des kleinen Katenbüll erschaffen haben.

 

Sörensen am Ende der Welt

Kommissar Sörensen, gerade erst endgültig von Hamburg in das nordfriesische Katenbüll umgezogen, gibt die Hoffnung auf, in der Provinz Ruhe zu finden. Im Koog wird eine Leiche gefunden – erstochen mit einem Schraubenzieher. Und der letzte Mensch, der den Toten lebend gesehen hat, ist spurlos verschwunden: der junge Ole Kellinghusen, werdender Vater und ein guter Freund von Sörensen. Der immer noch unter seiner Angststörung leidende Ermittler stellt fest: Die Angst kennt viele Gesichter. Und der Tote hat sich jahrelang auf das Ende der Welt vorbereitet – nur nicht auf sein eigenes.

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Sven Stricker

Sven Stricker

Sven Stricker wurde 1970 in Tönning geboren und wuchs in Mülheim an der Ruhr auf. Er studierte Komparatistik, Anglistik und Neuere Geschichte. Seit 2001 arbeitet er als freier Wortregisseur, Bearbeiter und Autor und gewann in dieser Funktion mehrmals den Deutschen Hörbuchpreis. Mit «Sörensen hat Angst» war Sven Stricker für den Glauser-Preis 2017 nominiert, die gleichnamige Verfilmung gewann 2021 den Deutschen Fernsehkrimipreis sowie den österreichischen Fernsehpreis Romy. 2022 wurde Stricker für das Drehbuch mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Er lebt in Potsdam und hat eine Tochter.  

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