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«Großartig!» (Aki Kaurismäki)

Spannend und poetisch, wild und lustig: die Romane des finnischen Krimiautors Antti Tuomainen

Antti Tuomainen mit Zitat von Bernhard Aichner
© Ville Juurikkala

Dieser Sound macht süchtig, man sagt das so leichthin. Aber wer ein Buch des vielfach ausgezeichneten finnischen Autors Antti Tuomainen gelesen hat, wird sich mit einiger Sicherheit schon auf das nächste freuen. Tuomainens Romane, brillant von Niina Katariina Wagner und Jan Costin Wagner ins Deutsche übertragen, sind wie eine Mixtur aus Leningrad Cowboys und Kaurismäki-Melancholie. Sie verbinden Dramatisches mit Skurrilem, Schräges mit Poetischem, Makabres mit Lustigem – und Slapstick-Action mit der Reflexion über die letzten Fragen des Lebens. Das ist wirklich «große schwarze Krimikunst» (Hamburger Abendblatt)!

Stimmen zu Antti Tuomainen

Sofi Oksanen: «Tuomainen verbindet in seinen Romanen Krimi und Poesie. Das macht seine Bücher so einzigartig, das ist der Grund dafür, dass Leser sie lieben.»
Bernhard Aichner: «Ein richtig cooler Finne.»
The Times: «The funniest writer in Europe.»
Financial Times: «Außergewöhnlich, exzentrisch, komisch – an nichts erinnert das mehr als an einen Film der Coen-Brüder.»
Yrsa Sigurdardóttir: «Ein wunderbarer Autor. Seine Charaktere, Geschichten und die Atmosphäre sind meisterhaft gezeichnet.»

Es gibt jede Menge Finnland-Klischees.

Komischerweise behaupten die Menschen zwischen Helsinki und Lahti und auch die zwischen Turku und Tampere, fast alle dieser Klischees seien wahr. In Finnland entstehen die schönsten traurigen Filme der Welt? Stimmt (zumindest wenn sie von Kaurismäki stammen). Die Mumins, nilpferdartige Trollwesen, gehören in jedes Kinderzimmer? Absolut richtig. Der Finne und die Finnin: schweigsam? Stimmt (wer’s nicht glaubt, setze sich mal in Helsinki in die U-Bahn). Mehr Heavy-Metal-Bands, gemessen an der Bevölkerung, als irgendwo sonst auf der Welt? Aber hallo! Finnlands Nationalmusik – der Tango? Richtig. Heißt Schnaps wirklich snapsi und Kaffeepaussi genau das, was man vermutet? Auch das stimmt, Klischee hin, Klischee her. Aber jetzt zurück zu Antti Tuomainen.

Wir möchten hier drei seiner Romane vorstellen. In gebotener Kürze, in drei Rubriken: Plot – bizarre Todesart – finnischstes Zitat. Antti Tuomainen pflegt seinen Büchern übrigens gern Anmerkungen zu seiner Arbeitsweise voranzustellen, speziell zum Thema facts & fiction. Diese hier zum Beispiel: «Alles, was folgt, beruht auf tatsächlichen Ereignissen mit echten Menschen. Nichts ist verändert worden. In Finnland scheint immer die Sonne.» Damit das geklärt wäre.

«Die letzten Meter bis zum Friedhof» (Band 1)

«Diese Werte könnten selbst ein Nilpferd niederstrecken.» Hochgradige Vergiftungssymptomatik, nichts zu machen, finito. Als sein Arzt ihm eröffnet, dass er todkrank ist und nur noch wenige Tage oder Wochen zu leben habe, ahnt Jaakko Kaunismaa noch nicht, dass dies erst Teil 1 der ihm zugedachten Katastrophe namens Schicksal ist. Teil 2 vollzieht sich zeitgleich auf einer Gartenliege bei ihm zu Hause, wo seine Frau Taina und Petri, der Fahrer ihres Unternehmens, sich sexuell vergnügen. So eine frische Todesnachricht kann einem schon den Tag vermiesen, schließlich «kommt der Tod ja nur einmal im Leben». In Jaakko erwacht der Trotz. Und der Mut der Verzweiflung. Wenn er mit seinen 37 Jahren wirklich schon «die letzten Meter bis zum Friedhof» erreicht haben soll, wird es bis dahin exakt so laufen, wie er sich das vorstellt.

Jaakko beschließt, seine Firma, die mit Matsutake-Pilzen handelt, für die Zeit nach seinem Tod fit zu machen. In Finnlands Wäldern wachsen die Pilze in rauen Mengen – und die Japaner sind verrückt danach. Leider hat ihre prachtvolle Geschäftsidee auch lokale Konkurrenz auf den Plan gerufen, die Pilz GmbH Hamina. Die Herren Asko, Juhana und Juhani sind nicht zimperlich in ihren Geschäftsmethoden; Fairness ist für sie ein Fremdwort, Pazifismus ist ihnen wesensfremd.

Nicht alle werden heil aus dieser Geschichte herauskommen, man ahnt es. In der Zeit, die Jaakko noch bleibt, möchte er unbedingt eines noch herausfinden: wer ihn weshalb ermordet hat. Beziehungsweise, um dem Futur II eine letzte Referenz zu erweisen: wer ihn ermordet haben wird, wenn die Zeit gekommen ist.

Tod durch ein Samuraischwert. Juhani ist hinter Jaakko her, ein blitzendes Samuraischwert in der Faust. Mit einem gewaltigen Sprung fliegt er an der Flussböschung auf sein Opfer zu ... «Seine Beine knicken ein, seine rechte Hand schlägt gegen einen trockenen, harten Ast, das Schwert steht senkrecht in der Luft, es scheint zu warten, darauf zu warten, dass Juhanis Kopf sich weiter absenkt, und dann schiebt sich die Klinge des Schwertes in Juhanis Kinn und tritt am oberen Ende des Kopfes wieder aus. Seine Hand hält noch das Schwert, unter dem Kinn, mit einer geschlossenen Faust. Juhani sieht aus, als würde er meditieren. Mit einem Schwert im Hirn.»

Finnish by nature. «Man kann über den Tod sagen, was man will, aber dass er ein Schlankmacher ist, sollte man unbedingt würdigen.»

«Palm Beach, Finland» (Band 2)

Think big! Investor Jorma Leivo dreht gern am großen Rad. Die nur unwesentlich mit ein paar frischen Liegen, knalligen Sonnenschirmen und neonbunten Strandhütten aufgemöbelte alte Ferienanlage des Dorfes bekommt einen neuen Namen. Palm Beach, Finland – wow, was für ein Marketingcoup! Wenn das keine Assoziationen an Miami Vice und Baywatch weckt! «Feinster weißer Sand, internationales Flair. Alles, was Sie in Saaaant Tropetz bekommen, bekommen Sie auch hier. Nur besser.» Leider hat die avisierte Zielgruppe aus dem In- und Ausland von diesem Saint Tropez des Nordens etwas mitbekommen.
Nur ein paar Gäste verlaufen sich bei lausigen Temperaturen und böigem Wind in diesem Potemkinschen Dorf. Einer von ihnen ist Kommissar Jan Nyman, der unter anderem Namen hier einen Mord aufklären soll. In der heruntergekommenen Villa von Olivia Koski, die nach dem Tod ihres Vaters in ihre Heimat zurückgekehrt ist, ist der Kleinganove Antero auf, nun ja, etwas unkonventionelle Art zu Tode gekommen. Jorma Leivo hatte zwei seiner Angestellten, Rettungsschwimmer Chico und Restaurantkoch Robin, engagiert, um Olivia durch gezielte niedrigschwellige Terrorakte aus ihrem idyllisch gelegenen Haus zu vertreiben. Das möchte Leivo unbedingt seinem Fake-Paradies eingliedern, um es dann für den Bau rentabler Edelimmobilien abzureißen. Aber, wie gesagt: Alles, was die Desperados Robin und Chico in die Hand nehmen, geht gründlich schief. Als wäre das alles für Palm Beach, Finland, nicht Desaster genug, taucht auch noch Auftragskiller Holma auf, um den Tod seines Bruders zu rächen ...

Tod durch unkoordinierte Zugkräfte. «Robin nickte, drehte sich um, suchte eine Position, in der er den Körper anheben konnte. Chico machte dasselbe, stützte sich auf das andere Bein, schrie angestrengt: Die Blutpfütze, in der Olivia gelegen hatte und in der nun Chico mit seinen Adidas-Turnschuhen stand, war spiegelglatt. Er rutschte aus, hielt sich intuitiv an Olivia fest, während er fiel. Im selben Moment zerrte Robin auf der anderen Seite am Kopf. Das Knacken erinnerte an das Zerbrechen eines trockenen Holzstücks. Olivia erschlaffte. (...) Wir haben den Kerl umgebracht. Versehentlich. Wir haben zur gleichen Zeit an ihm gezogen, in verschiedene Richtungen.» (Die Person ist mausetot, Genickbruch. Auch wenn es sich dabei nicht um Olivia Koski, sondern um besagten Bruder des Auftragskillers handelt ...)

Finnish by nature. «Eine wichtige Erkenntnis (Olivias) lautete: Männer sind ein kostspieliges Hobby. Egal, ob sie charmant, grob, witzig, dumm, strahlend wie Sterne, schwerfällig wie der Griff eines Hammers, gut aussehend oder nicht-ganz-so-gut-aussehend-aber-o.k. waren, zuverlässig oder unzuverlässig oder was auch immer – wichtig war in jedem Fall, die eigene Geldbörse fest im Blick zu behalten.»

«Klein-Sibirien» (Band 3)

Finnland, Land der Heavy-Metal-Freaks und Rallyefahrer. Während in seinem Leben alles schiefläuft, was nur schieflaufen kann, ist Timo Tarvainen in seinem Rallyewagen immer noch verdammt schnell. Und das, obwohl er dabei ständig Schnaps in sich hineinkippt und mit Selbstmordgedanken flirtet. Bis bei 240 km/h ein Blitz über den Himmel zieht und Sekundenbruchteile später etwas in seinen Wagen kracht. «Aus und vorbei. So ist das also, denkt er, in dem Moment, in dem er die Detonation hört.» Im Wagendach: ein riesiges Loch. Ein frisch aus dem Weltraum abgestürzter Meteorit ist einen halben Meter neben ihm eingeschlagen.
Nun hat das Örtchen Hurmevaara in der schneebedeckten Einöde der finnischen Wälder also einen echten Meteoriten. Als sich das Gerücht breitmacht, dass dieser «Festkörper kosmischen Ursprungs» eine Million Euro wert sein soll, drehen die Leute durch. Eine Million, das kann in (fast) jedem Leben (fast) alles verändern. Den Schatz nimmt Pfarrer Joel Huhta, als ehemaliger Militärpfarrer in Afghanistan durchaus kampferprobt, in seine Obhut. Vier Tage soll er das One-million-dollar-Baby im Militärmuseum bewachen, bis es für die wissenschaftliche Expertise nach London gebracht wird.
Für Pfarrer Joel werden es extrem turbulente Tage. Eigentlich hat er ganz andere Sorgen. Wie bringt er seiner schwangeren Ehefrau Krista schonend bei, dass er nicht der Vater ihres Kindes sein kann, wegen der vedammten Nagelmine am Hindukusch? (Aber wer dann?) «Ich kann keine Kinder bekommen. Und nein, ich glaube nicht an die unbefleckte Empfängnis.» Davon mal ganz abgesehen: Wie soll er selbst lebend aus dieser Sache rauskommen? War nicht schon die Explosion der Weltkriegsgranate aus dem Militärmuseum ein klares Zeichen? Denn nicht nur ganz Hurmevaara ist im Meteoritenfieber, auch das organisierte Verbrechen hat längst Wind von dem renditeträchtigen Himmelskörper bekommen. Und die beiden russischen Gangster Grigori und Leonid sind, wie sich bald zeigt, nicht nur schwer bewaffnet. Sie haben auch keinerlei Skrupel, ihr Waffenarsenal einzusetzen ...

Tod durch versehentliche Selbstexekution. «Grigori drückt ab ... Die Kugel würde mich in die Brust treffen, wenn ich nicht abgesprungen und in seine Hand gegriffen hätte. Sein Handgelenk ist abgeknickt, beschreibt einen Bogen, und als der Schuss ausgelöst wird, zeigt der Lauf auf Grigori. Der Schuss durchdringt seinen Körper, aus seiner Winterjacke spritzt Blut, schwarz und rot, geformt wie ein Fächer. Er stirbt im Bruchteil einer Sekunde.»

Finnish by nature. «Idioten in der Tat», sagt Karoliina. Mit fester Stimme. Sie lässt ihren Blick durch den Raum schweifen. Vermutlich sieht sie die vier Männer, Vertreter des Dorfkomitees.
«In diesem Dorf gibt es nichts anderes», sagt sie. Sucht meine Augen. «Ein Dorf der Idioten.»
«Bist du denn hier ...»
«Hier aufgewachsen? Ja. Ich weiß, wovon ich rede. Eine Großversammlung der Rallyefahrer und Trottel. Ein Zusammenschluss der dümmsten Männer, die Ost-Finnland zu bieten hat. Willkommen.»

Antti Tuomainen, Jahrgang 1971, ist einer der angesehensten und erfolgreichsten finnischen Schriftsteller. Er wurde u. a. mit dem Clue Award, dem finnischen Krimipreis, ausgezeichnet, Klein-Sibirien wurde mit dem Petrona Award als bester skandinavischer Kriminalroman 2020 prämiert. Tuomainens Romane erscheinen in über 25 Ländern und werden verfilmt. Die Rechte am Auftakt der Henri-Koskinen-Trilogie, «Der Kaninchen-Faktor», sicherte sich eine Hollywood-Produktionsfirma, in der Hauptrolle wird Steve Carell zu sehen sein. 

Zum Autor Zu den Büchern
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