Im Gespräch

«Gestatten: Prange mein Name»

Wunderbar komisch (und tröstlich): Geschichten vom Leben im Mehrfamilienhaus

Andreas Altenburg lächelt in die Kamera, daneben die Überschrift "Interview mit Andreas Altenburg"
© Björn Altenburg

Ralf Prange, Mitte 50, alleinstehend, ist der postalische Wunschnachbar im Rotklinkerbau in Barmbek-Süd. Er ist die personifizierte Paket-, Gerüchte- und Sorgenannahmestelle eines Hamburger Durchschnittshauses: die gute Seele und Nervensäge der Nachbarschaft. Schrullig, spießig, etwas einsam, neugierig, manchmal übergriffig, in jedem Fall aber mit dem Herzen am rechten Fleck und sehr gewissenhaft, was die ihm übertragene Verantwortung angeht. Andreas Altenburg («Frühstück bei Stefanie») erzählt vom Leben im Mietshaus – von ausgebüxten Kleinsttieren, Geruchsbelästigungen durch Kohlsuppendiäten, Versteckspielen vor Halloweenkindern und Freundschaften mit den DHL- und Hermes-Boten. 
 

DAS INTERVIEW

Bei der NDR-2-Comedy «Frühstück bei Stefanie» (1066 Folgen in fünf Jahren) drehte sich alles um Kaffee, Quatschen – und Mettbrötchen. Jetzt, bei «Man ist ja Nachbar», wird die Hauptfigur Ralf Prange, Schichtleiter einer Schweineräucherei, stets von einer Mettwolke begleitet. Prigge (Stefanie) hier, Prange (Ralf) da: Lieber Herr Altenburg, darf man sagen, dass Mett für Ihr künstlerisches Schaffen nicht gerade nebensächlich ist? 
Das könnte man meinen. Stimmt überhaupt. Ehrlich gesagt bin ich alles andere als ein Mettfreund. Aber Geräuchertes – da werd ich schwach. Und bei dieser Gier nach Deftigem, diesem hastigen Griff in den Kühlschrank sind wir dann am Ende alle gleich. Egal ob Baggerfahrerin oder Investmentbanker. Ein bisschen unappetitlich, aber in dem Moment hemmungslos ehrlich. 

Was sich im Rotklinkerbau in Barmbek-Süd alles an Nachbarn versammelt, vom Fernsehmann im 4. Stock bis runter zur Liebesdame Ilona im Souterrain mit eigenem Eingang – das wirkt ein bisschen wie «Lindenstraße» in krass. Haben Sie selbst irgendwann mal in einem ähnlich bunt gemixten Haus gewohnt? 
Ich lebe seit fast 16 Jahren in genau so einem Haus. Wir Nachbarn lieben uns.

Menschen, Tiere, Sensationen! Wie sind Sie auf die Idee mit Pranges heiklem Haustier gekommen, dem Tourette-sozialisierten (und enorm sprachbegabten) Beo Berni? 
Beos und Papageien sind ja tatsächlich sehr sprachbegabt. In unserem Haus wohnte anfangs noch ein Mann, der den Frauen auf der Straße anzüglich hinterherpfiff. Dachte ich. Es war ein Papagei, wie sich erst erstaunlich spät herausstellte. Täuschend echt. 

Darf man verraten, dass Prange unsterblich verliebt ist in die schöne Hermes-Botin Dörte? Eigentlich müsste der Logistikdienstleister Hermes Ihnen ab sofort Premium-Konditionen einräumen, oder? 
Nun. Prange hat ja ansonsten durchaus seine Schwierigkeiten mit Hermes. Es liegt auch schon sehr an Dörte, dass er sich überhaupt auf diesen Zustelldienst einlässt. Im Grunde müsste man Zustellerinnen wie Dörte Premium-Konditionen einräumen – beim Gehalt.

«Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt» – das wusste schon Friedrich Schiller. Schräge Nachbarn: ja. Aber richtig böse Nachbarn tauchen hier nicht auf. Klappt das in Pranges Rotklinkerbau nicht trotz, sondern wegen der «Diversität» der Hausgemeinschaft so gut mit dem Zusammenleben?
Böse ist wirklich niemand. Das ist ja auch ein großes Wort. Dennoch haben alle Bewohner ihre kleinen persönlichen Abgründe, Fiesheiten und Schwächen. Wenn das alles gleichmäßig verteilt ist, dann ist es tatsächlich diese Vielfalt, die als Ganzes zum Zusammenleben beiträgt. Auch wenn Prange es versucht, man kann sich dem auf Dauer nicht entziehen. Die Enge eines Mehrfamilienhauses zwingt uns, am Leben der anderen teilzunehmen. Man hört sich schreien, streiten, trampeln und beim Furzen auf dem Balkon. Dann begegnet man sich natürlich auch im Treppenhaus irgendwann mit offenem Visier.

Ihr und unser Held («Prange mein Name») hat ein Faible für Alltagsbeobachtungen aller Art, z. B.: «Merkwürdigerweise fährt niemand mit dem Fahrrad zu seiner Prostituierten» (warum eigentlich nicht?). Oder: «Ich finde, es hat generell mehr Würde, Geräte vor sich herzuschieben, als hinter sich herzuziehen» (es geht um Pranges Kugelgrill). Sollte Ihr Buch einmal verfilmt werden (was toll wäre!): Wäre nicht Bjarne Mädel eine Eins-a-Besetzung für die Prange-Rolle?
Und genau das hab ich schon gedacht.
 

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Andreas Altenburg

Andreas Altenburg

Andreas Altenburg, 1969 in Bayern geboren, ist seit 1993 als Morgen-Redakteur, Autor und Sprecher mit Schwerpunkt Comedy bei NDR 2 tätig. Zu den von ihm entwickelten Formaten gehören «Kwatsch», «Schumibrüder», «Haus Sonnenschein», «Detzer & Nelling» oder «Wer piept denn da?». Bei rororo erschien u.a. 2011 das Fanbuch zur Kultserie «Frühstück bei Stefanie» und «Wir sind die Freeses». Andreas Altenburg erhielt zusammen mit Harald Wehmeier den Deutschen Radiopreis  für die Radiocomedy «Frühstück bei Stefanie»; die Fernsehcomedy «Jennifer – Sehnsucht nach was Besseres» wurde mit dem Deutschen Comedypreis 2018 in der Kategorie „Beste Sitcom“ ausgezeichnet.